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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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hinkte noch wochenlang – diese Schisaison war für ihn damit gelaufen.
    Ich hatte es immer noch nicht in den Lift geschafft. Mittlerweile hasste ich das Schifahren mindestens so sehr, wie Mamadas Bergwandern gehasst hatte. Nur mein Bruder raste begeistert im Schuss den Hügel hinab, doch mit seinem Wagemut wuchs auch die Schwere seiner Stürze, denn er konnte nicht richtig bremsen: Es schleuderte ihm die Bretter nur so um die Ohren, wortwörtlich. Denn damals trug man die Schi noch mit Riemen gesichert um die Fußgelenke, damit sie, wenn die Bindung sich bei einem Sturz öffnete, nicht den Berg hinunterrasten.
    Schließlich befand Mama, dass es nicht so weitergehe: »Die Kiender müssen richtig fahren lärnen, bevor ihnen auch was passiert. Sie brauchen eine richtige Lährer.«
    »Ach neeee!«, meckerte ich, denn ich hatte bereits gehofft, mit Papas Saisonausfall bliebe auch mir künftig das Schifahren erspart.
    »Doch, unbedingt!«, bestimmte Mama. »Wir wohnen in München, und alle Leute können Schi fahren. Also müsst ihr es auch können. Sonst gehört ihr nicht dazu. Und ich lerne auch Schi fahren!«
    »Ist das dein Ernst?«, meinte Papa.
    »Natürrrrlich!«, sagte Mama im Brustton der Überzeugung. »Wir machen einfach eine Kursus. Ich habe ja sogar Autofahren gelärnt, nicht wahr?« Wahrscheinlich dachte sie, dass sie sich kaum ungeschickter anstellen konnte als ihre Familie.
    In der nächsten Woche kaufte Mama Frau Huber eine gebrauchte Schiausrüstung ab. Für Frau Huber nämlich war die Schisaison ebenfalls gelaufen: Sie hatte sich (in ihrem Schikurs!) einen komplizierten Splitterbruch zugezogen und verbrachte den Rest des Winters mit Gips auf ihrer Wohnlandschaft. Sonderbarerweise schien das Mama überhaupt nicht abzuschrecken (vielleicht dachte sie, in Anfängerkursen sei das Tempo nicht hoch genug, um sich was zu brechen). Sie meldete uns bei Sport-Scheck zu Samstagskursen an, die den ganzen restlichen Winter andauern sollten.
    Kurz davor wurde sie von einer Art Wintersporteuphorie erfasst: In Griechenland gibt es nur ein paar Berge, auf denen im Winter manchmal genug Schnee zum Schilaufen fällt – allerdings nicht bei Athen. In Mamas Jugend war Schifahren deswegen etwas gewesen, das nur die ganz Reichen betrieben – ein Jetset-Vergnügen für millionenschwere Reederkinder, die nach St. Moritz oder Lech geschickt wurden. Außerdem kannte Mama das Schifahren aus spektakulären James-Bond-Filmen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich wohl schon durch den Tiefschnee wedeln. Tagelang zog Mama durch die Stadt und suchte sich möglichst vorteilhafte Schiklamotten.
    Bei der Gelegenheit brachte sie mir einen der soeben erfundenen hochmodernen Schioveralls mit. Bei der Auswahl des Musters allerdings war irgendwas mit ihr durchgegangen: Der Overall war babygrün mit weißen Punkten (bis auf die Einsätze an der Taille: Die waren weiß mit babygrünen Punkten). In meinen Augen sah er aus wie ein Strampelanzug. Ich war zehn Jahre alt! Ich bestand darauf, dass Mama ihn sofort umtauschte. »Aber du siehst so süß aus mit den Overall!«, weigerte sie sich.
    Damals wurden die Schischüler vom Veranstalter mit der Bahn zu den Pisten verfrachtet, deshalb waren Mama, mein Bruder und ich zwar in unterschiedlichen Kursen – saßen aber alle im selben Zug. Die Vorfreude war Mama anzumerken: Schwungvoll hatte sie ihre neuen Schi geschultert und marschierte damit zum Bahngleis, und um den Bauch trug sie stolz etwas, das sie »Wiemär« nannte – das war die Gürteltasche, in der man Tempos, Geld und kleine Snacks verwahrte. (Sie hieß damals in Bayern »Wimmerl«, doch an diesem Zungenbrecher musste Mama zwangsläufig scheitern.) Ich schlich in meinem gepunkteten Anzug hinterher in den Zug.
    Als er uns am Abend wieder am Hauptbahnhof ausspuckte, war nur noch mein Bruder gut gelaunt: Mama war sogeschafft, dass sie ihre Schi nicht mehr bis zur Schulter hoch brachte – sie umklammerte sie in Hüfthöhe –, und ihre Haare hingen ihr in Strähnen ins Gesicht: Sie war so oft kopfüber im Schnee gelandet, dass schließlich sogar ihre Mütze durchweicht war. Ich trabte mit noch tiefer hängenden Schultern als am Morgen hinter ihr her: Der Overall, den Mama süß fand, kam bei Gleichaltrigen nicht gerade gut an. Die anderen aus meinem Kurs hatten die Köpfe zusammengesteckt und über »die da mit dem komischen Anzug« getuschelt.
    Zu Hause regte sich Mama ziemlich über ihren Erwachsenenkurs auf: »Ich dachte, das ist ein

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