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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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Überall. Und sofort, ich habe sieben Kilo abgenommen! Ist kain Problem für mich, zu Fuß zu gehen!«
    »Ja«, meinte Herr Huber skeptisch, »aber die Schuhe! Die sind hier gar nicht geeignet!«
    »Ist kain Problem, wirklich«, sagte Mama.

    Wolfi Huber und ich und unsere jüngeren Brüder kürzten Wege ab und schlugen uns querfeldein, dann warteten wir an einer Biegung auf die anderen. Es dauerte lange, bis sie aufkreuzten, und Mama atmete schwer, als sie sich auf einem kleinen Felsabsatz niederließ.
    »Meine Vater ist auch viel zu Fuß gegangen. Heute noch«, sagte sie schließlich. »Er sagt, zu Fuß gehen chält ihn junk!« Dann trank sie die ganze Flasche Mineralwasser aus, die Herr Huber ihr hinhielt – obwohl sie normalerweise gar keinen Sprudel mochte.
    Wir Kinder rannten weiter querfeldein. Beim nächsten Halt warteten wir fast eine Stunde. Als mein Bruder schon zurück nach unten laufen wollte, kamen endlich die Erwachsenen: voran die Männer. Dann Frau Huber und Mama. Erst, als wir unsere Brotzeit verspeist hatten, begann sie zu sprechen:
    »Die Berge chaben auch etwas Dunkles. Deprimierend, nicht so freundlich und offen wie der Määr!«, sagte sie undmusterte missbilligend das Felsmassiv, das sich über uns aufbaute.
    »Die Berge sind doch nicht deprimierend!«, sagte Papa.
    »Ich finde schon. Das ist meine Meinung. So schwermutig!«

    Oben in der Hütte suchte Mama sich am Tisch einen Stuhl, von dem aus sie das Panorama nicht betrachten musste, und bestellte sich kurz hintereinander zwei Tassen Kaffee. Dann nahm sie zwei Aspirin gegen die Schmerzen in den Füßen und begutachtete ihre Schuhe. Eine rechteckige Spange fehlte, ein Absatz hing schief. Nun erst fand sie ein wenig zu ihrem Humor zurück: »Was, wenn ich nicht mehr laufen kann? Kommt eine große Bärnchadiener und trägt mich nach Chause?« Aber sie wusste natürlich, dass sie es aus eigener Kraft nach unten schaffen musste. Beim Abstieg rutschte sie mehr, als sie ging. Im Auto sagte sie: »Nächste Mal ich bleibe lieber zu Chause und chöre Musik.« Als wir schon auf der Autobahn fuhren, entrang sich ihr noch ein tiefer Seufzer: »Manchmal, da vermisse ich den Määr!«

    Die winterlich-weiße Version der Alpenwelt gefiel Mama wesentlich besser. »Ich liebe Schnie!«, pflegte sie zu schwärmen.
    »Mama: Schneeee!«, korrigierte ich. »Mit eeee!«
    »Schnöööö!«, machte Mama, aber gleich darauf sagte sie wieder »Schnie«.
    Verzuckert fand sie die Berge jedenfalls nicht deprimierend. Besonders genießen konnte sie ihren Anblick, weil sie als Einzige in der Familie ganz bequem mit einer Tasse Kaffee auf dem Schoß im Sonnenstuhl saß. Diesmal war die Reihe an uns, eine schlechte Figur abzugeben.
    Mitgerissen von der Schibegeisterung der Hubers, war Papa wieder eines Tages mit uns in die Stadt gefahren und hatteSchiausrüstungen erstanden. (Mama wollte erst einmal abwarten und über das Projekt Schilaufen nachdenken.) Papas Plan war, uns Kindern eben mal schnell das Schifahren beizubringen, damit wir bald mit den Freunden mithalten konnten. In seiner Kindheit war er schon ab und zu Schi gelaufen. Das war rund dreißig Jahre her. Nun kam er gar nicht dazu, uns irgendwas beizubringen. Er war viel zu sehr mit sich beschäftigt.
    Wir waren mit der Gondel zu einer Mittelstation hochgefahren, wo Mama ihren Posten im Liegestuhl eingenommen hatte. Von da aus konnte sie den kleinen Tellerlift, den Papa ausgewählt hatte, voll überblicken: Mehrmals mussten die Liftmänner den Betrieb einstellen, weil Papa aus der Spur fiel oder sich mit seinen Stöcken oder Brettern verhedderte. Endlich auf der kleinen Piste angelangt, schlug er alle paar Meter voll hin. Auf Mamas Gesicht zeichnete sich ein still-zufriedener Ausdruck ab: Sie sah gern zu, wie wir auf Schiern versagten.
    Papa schaffte es immerhin bis zum Lift. Mir gelang es nicht einmal, die wenigen Meter vom Sesselliftausstieg zum Tellerlifteinstieg zurückzulegen: Den größten Teil des Tages verbrachte ich damit zu stürzen. Der Einzige, der sich einigermaßen geschickt anstellte, war mein Bruder: Auch er stürzte, ließ sich aber nicht entmutigen. Er stand einfach immer wieder auf und fuhr verbissen weiter, auch als das Karomuster seiner Winterjacke vor lauter Schnee kaum mehr zu erkennen war.
    So ging das einige Wochenenden. Mama eignete sich eine hübsche Winterbräune an und wirkte erholt und frisch, und Papa machte dezente Fortschritte. Doch dann stürzte er einmal besonders hässlich und

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