Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
ihrem lindgrünen VW-Käfer im Fond saßen, mussten wir mucksmäuschenstill sein, während Mama sich an das Lenkrad klammerte und Worte wie »Main Kott« oder »Värdammte Idiot« ausstieß.) Die übrigen Frauen, die mit ihr begonnen hatten, stellten sich allerdings auch nicht besser an, so dass viel Zeit blieb, sich untereinander kennen zu lernen. Als sie alle endlich ihren Schein hatten, waren sie Freundinnen geworden und Mama in einem nachbarschaftlichen Bekanntenkreis angekommen.
Für uns hatte das zur Folge, dass wir die Kinder der Fahrschulfreundinnen zu unseren Kindergeburtstagen einladen mussten. Was mich aus folgendem Grund störte: Diese Freundinnen hatten sonderbarerweise alle nur Jungs – ich war im Grundschulalter und wollte eigentlich nur Mädchen einladen. Aber meine Kindergeburtstage waren ohnehin anders als die der anderen: Sie waren etwas Besonderes und sonderbar zugleich.
Bei uns gab es nie selbst gebackene Kuchen zum Geburtstag (die gab es nur im Alltag), sondern aufwendige Torten, die Mama in der Residenzstraße in der Konditorei Café Hag kaufte. Neben den Porzellantellern und den guten Tassen für die heiße Schokolade standen Cellophantütchen mit Süßigkeiten für die Gäste (was damals bei Kindergeburtstagen in unserer Nachbarschaft unüblich war). Und alle Mütter meiner Gäste waren am Nebentisch ebenfalls zu Kaffee und Torte geladen. Außerdem veranstaltete Mama niemals Spiele. Topfschlagen, Eierlaufen, Würstelschnappen – all dies erlebte ich nur bei Gegeneinladungen. Meine Mutter kannte solche Spiele nicht. Nach der Kuchentafel gingen wir einfach ins Kinderzimmer, und die Jungs der Fahrschulfreundinnen sprangen auf meinem Bett herum und verwüsteten aus Langeweile mein Zimmer.
Der Führerschein meiner Mama brachte außerdem mit sich, dass wir jeden Samstag in der Nachbarschaft zu Partys eingeladen waren: Die neuen Bekannten bekochten sich gegenseitig, und Mama lernte kulinarische Eigenheiten wie den Rumtopf kennen, der nun bei uns in der »Dunkelkammer« angesetzt wurde. Die Freundinnen lernten griechisch kochen und servierten reihum ihre Version des griechischen Zitronenhuhns, das Mama ihnen beigebracht hatte. Wir Kinder saßen alle mit am Tisch. Wenn dann aber der gemütliche Teil kam – also noch ein paar Weinflaschen geköpft wurden –, verzogen wir uns in die Kinderzimmer. Anfangs fanden wir es ganz lustig, so lange aufbleiben zu dürfen, und bei der Gelegenheit freundete ich mich mit Wolfgang Huber an, dem Sohn einer Fahrschulfreundin (was mir den Spott meiner Schulfreundinnen einbrachte, denn er war nicht nur ein Junge, sondern auch noch eine Klasse unter mir). Ab zehn Uhr wurden uns aber die Augen schwer, und alle paar Minuten trabte einer der jungen Gäste ins Wohnzimmer zu den Erwachsenen und fragte: »Wann gehen wir denn endlich?!«
Regelmäßig fiel der Gastgeberpart auch an uns, das mochte ich lieber. Dann durfte ich mit Mama den Tisch decken, und ich machte mich extra für die Gäste hübsch und schminkte mir die Augen mit Mamas hellblauem Lidschatten (Wolfi Huber fand das blöd – er war eben nur ein Junge). Am liebsten mochte ich den Morgen nach der Party: Da standen überall noch Schalen mit Chips und Erdnüssen im Wohnzimmer, die mampften mein Bruder und ich zum Frühstück, und keiner konnte etwas dagegen sagen – unsere Eltern lagen noch im Bett und erholten sich vom Feiern.
Manchmal gingen auch alle zusammen aus. Wenn man die fünfunddreißig, vierzig überschritten hatte, bedeutete das in den frühen Siebzigerjahren: Man besuchte einen Weinkeller. Da waren wir Kinder nicht erlaubt. Wir mussten allein zu Hause bleiben und selbstständig ins Bett gehen. Statt zur vereinbarten Zeit zu schlafen, setzten wir uns vor den Fernseher und sahen uns Edgar-Wallace-Filme an. Darum wagte ich lange Zeit nicht, mich beim Einschlafen unter der Decke zu bewegen, denn ich hatte einmal eine Filmszene gesehen, in der Klaus Kinski jemandem eine Giftschlange ins Bett schmuggelt – nachts im Dunkeln bildete ich mir immer ein, in meinem würde auch eine liegen.
Dass wir im Sommer immer in den Süden fuhren, war nun keine Besonderheit mehr. All unsere Bekannten konnten sich jetzt einen Sommerurlaub leisten, und mittlerweile war sogar ein Zweiturlaub drin – in den Pfingstferien. Wir verbrachten sie, wie ein großer Teil der Leute aus unserer Siedlung, in einer Ferienanlage in Porec in Jugoslawien (für die Fahrt nach Griechenland waren die Pfingstferien zu kurz). Die Anlage
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