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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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wurde von dem Reisebüro in unserer Nachbarschaft vermittelt, und es war dort fast genau so wie bei uns in der Wohnanlage in München – nur am Meer. Wir trafen unsere Schulfreunde unddie Jungs der Fahrschulfreundinnen, unsere Mütter kochten in den Apartments für uns, und statt mit dem Fahrrad herumzufahren, gingen wir alle zusammen schwimmen oder fingen Krebse. Während die anderen ihre dann später zurück ins Meer entließen, warf Mama unsere immer in einen Topf mit kochendem Wasser, bis sie rot wurden und sich nicht mehr bewegten. Dann saugten wir sie am Tisch auf unserer Ferienterrasse genüsslich aus, und unsere Freunde guckten mit angewiderten Blicken zu und schüttelten sich. Ansonsten verhielten wir uns aber wie alle anderen deutschen Porec-Urlauber und lernten von der Landessprache nur die Worte »Chewaptschischi« und »Juwetsch-Reis«. Erst im vierten oder fünften Jahr fiel uns auf, dass wir nicht einmal wussten, was auf Kroatisch »Guten Tag« heißt. »Wie peinlich«, sagte Papa.
    Aus Porec stammt das einzige Foto, auf dem meine Mama nicht vorteilhaft hergerichtet in die Kamera blickt: Sie ist gerade aus einem Schläfchen in der Sonne erwacht, die Augen sind ganz klein, die Schminke verwischt und die Haare zerzaust. Mama genoss die Pfingsturlaube besonders, weil sie nicht vorher kofferweise Geschenke einkaufen musste, um dann unzählige Verwandtenbesuche zu absolvieren. Sie lag nur herum und ruhte sich aus.
    Ansonsten wirkt sie auf allen Bildern stets wie aus dem Ei gepellt – mit sorgfältig frisiertem Haar, eleganten, auffälligen Kleidern, hochhackigen Schuhen, vollständigem Make-up. Immer hundert Prozent Operndiva, auch, als sie gar keine mehr war. Sie kam nun mal aus einer ganz anderen Welt. Bei der Arbeit spürte sie das besonders: Der Job war eine echte Unterforderung für sie (auch der Schriftverkehr: Mama sprach zwar nicht ganz korrekt Deutsch – doch sie schrieb es fehlerfrei). Ihr Studium befähigte sie offiziell dazu, als Musiklehrerin zu arbeiten, doch dazu fehle es ihr an Geduld, sagte sie. In der Versicherung litt sie aber, und sie beklagte sich beiuns über die Kleinbürgerlichkeit der Kollegen: »Da ist kein Mensch, der meine Sprache spricht!« Und damit meinte sie nicht Griechisch.

    Unter all den Nachbarn gab es eine Familie, mit der sich meine Eltern besonders oft verabredeten: die Hubers. Sie wohnten in derselben Straße, ihre Söhne waren etwa so alt wie wir Kinder. Ihre Wohnung hatte den exakt gleichen Grundriss wie unsere – nur seitenverkehrt –, und sie besaßen eine Wohnlandschaft, die unserer zum Verwechseln ähnlich sah (in jadegrün). In einem aber unterschieden sich die Hubers von uns: Sie waren sportlich. Wir nicht. Dass sich das noch ändern sollte, war Teil unserer Integration.
    Vor den Hubers verbrachten wir unsere Sonntagsausflüge meist auf dem flachen Land mit gemütlichen Spaziergängen. Die Alpen sahen wir uns allenfalls von der Seilbahn oder dem Sessellift aus an. Mama konnten sie nicht begeistern: »Hässliche graue Steine! Beklämmend, nicht wahr?«, urteilte sie. Die Hubers aber waren Bergwanderer. Und so ging Papa eines Tages mit uns Kindern in die Stadt und kaufte uns Bergstiefel, Karohemden und Bundhosen.
    Mama begleitete uns nicht in die Stadt. Der Gedanke, einen Berg zu erklimmen, erschien ihr nicht sehr verlockend – Sport war ihr per se eher suspekt. Bis dato war sie mit dieser Einstellung bestens gefahren, denn Papa war ebenfalls ein Bewegungsmuffel, obwohl er sportlich aussah: Er war ein Sonnyboy-Typ und wirkte, als würde er den ganzen Tag Tennis spielen. Stattdessen waren seine Hobbys Essen, Lesen und sich Erholen.
    Doch damals ging es mit dem Fitnesstrend in Deutschland los, an jedem zweiten Waldweg entstand ein »Trimm-dich-Pfad«, und im Rahmen der allgemeinen Ertüchtigung wurde auch die Alpenwelt wiederentdeckt. Plötzlich fanden wir unsalle an einem strahlenden Herbsttag mit den Hubers in den Bergen wieder, sogar Mama war spontan mit ins Auto gestiegen. Sie hatte ihre flachsten Schuhe angezogen: die aus Lackleder mit den rechteckigen Spangen vorne. Der Absatz war nur etwa zwei Zentimeter hoch, doch die Sohle war ganz glatt.
    Am Anfang ging es noch. Mama ging grundsätzlich ganz gern zu Fuß. »Als ich nach Deutschland kam, ich war ein bießchen zu dieck«, erzählte sie beim Aufstieg. »Meine Gesangslehrerin sagte: Vergisst du den Bus, gähst du zu Fuß. Dann nimmst du ab. Und sparst du Geld. Und ich bin immär zu Fuß gegangen.

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