Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
die Auberginen urplötzlich nicht mehr in dicke, langweilige Scheiben geschnitten und vor dem Braten achtlos in Mehl gewendet. Sie kamen – man möchte sagen: schwebten – als lockerleicht ausgebackenes Wunderwerk auf den Tisch, und von diesem Moment an waren alle anderen kulinarischen Darreichungsformen der Eierfrucht hoffnungslos »out«.
Tante Meri, Onkel Giorgos und ihre Clique – ta paidia , die Kinder, genannt, so wie unabhängig vom Alter alle griechischen Freundeskreise – feierten oft gemeinsam in den kosmikes tavernes , wo die luftigen Auberginen als Sensation desSommers kredenzt wurden. Sie orientierten sich auch sonst an den Regeln dessen, was Athener Schick ausmachte. Ihr ganzer Lebensstil orientierte sich an diesem Schick: die Markenkleidung, die großen Autos, die teuren französischen Privatschulen für das Einzelkind. Denn kultivierte Athener Paare hatten fast grundsätzlich Einzelkinder, wohl um einen Gegenpol zu bilden zu den primitiven Provinzeltern, die von ganzen Scharen kleiner Griechen umgeben waren.
In den Sechziger- und Siebzigerjahren etwa verkauften ta paidia allesamt ihre großen Häuser in den ruhigen Bezirken der Stadt und siedelten sich in überteuerten Wohnungen mitten im angesagten Herzen von Athen an, wo das Leben tobte und der Verkehr toste. Selbstverständlich waren all ihre Apartments und Penthäuser mit »Erkondission, Air Condition, und kühlen Marmorfliesen ausgestattet. Dennoch wurde das Innenstadtleben – besonders im Sommer, wo sich die Luft in den schmalen Häuserschluchten auf über vierzig Grad aufheizen konnte – zusehends unerträglich: Das nefos , der Smog, hing als dicker, gelblich-grauer Schleier über der weißen Stadt, trübte das gleißende attische Licht, fraß an den jahrtausendealten Säulen und Skulpturen oben auf der Akropolis und nagte an den Nerven. Und alle Bemühungen der Stadtverwaltung, das Abgasaufkommen zu reduzieren, blieben zunächst erfolglos: Als zum Beispiel das Gesetz erlassen wurde, dass Fahrzeuge mit gerader Zahl auf dem Kennzeichen nur abwechselnd mit denen mit ungerader Zahl durch die Straßen Athens kreuzen durften, um den Verkehr zu halbieren, schafften sich die Athener, die es sich leisten konnten (und offenbar waren das eine Menge), flugs Zweitwagen an. Und sorgten dafür, dass ihre Nummernschilder so gestaltet waren, dass immer eines der beiden Fahrzeuge in Bewegung blieb.
Als es in der Stadt gar nicht mehr auszuhalten war, verrammelten ta paidia ihre eleganten Zentrumswohnungen,drückten die Schlüssel den Concièrges in die Hand, verabschiedeten sich mit den Worten: »Yiassas, ke kalo kalokeri, tschüss und einen schönen Sommer« und flohen wieder an die Grenzen der Stadt, die – wegen rasanten Bauvorkommens – mittlerweile um einige Kilometer weiter nach außen gerückt waren. Dorthin, wo die Luft klar war und das Meer sauber. Wo Pinienbäume dufteten, Zikaden zirpten und eine frische Brise vom Berg ums Haus wehte. Weil aber kein Berufstätiger so lange frei machen konnte, wie ein griechischer Sommer dauert, pendelten die Männer morgens eine gute Stunde mit dem Auto ins Zentrum und abends zurück, und hielten dadurch das Ungeheuer nefos am Leben.
Die Frauen aus diesen Kreisen hatten zwar oft studiert – berufstätig waren sie aber in der Regel nicht. So konnten sie sich in der Sommerfrische der Entspannung hingeben. Dazu gehörte das gemeinsame Experimentieren mit Freundinnen in der Küche.
Die größte Küche an der Grenze zur exochi – dem Land in den Hügeln oberhalb des kleinen Ortes Agia Marina hinter Varkissa, damals dem letzten südlichen Vorort Athens – besaß Onkel Lefteris, Tante Meris Bruder. Er hatte auch das größte Haus, den größten Garten und die ausladendste, schattigste Terrasse mit den meisten Hollywoodschaukeln – drei an der Zahl. Haus und Terrasse standen auf einem riesigen Betonsockel, auf dem einmal eine großzügige Sommervilla entstehen sollte, die Pläne lagen schon bereit. Noch allerdings bestand Onkel Lefteris’ Sommerhaus nur aus einer geräumigen Baracke mit Wellblechdach, denn es gab keine Baugenehmigung für die Hügel oberhalb von Agia Marina. Eigentlich auch nicht für Betonfundamente und behelfsmäßige Sommerhäuschen.
Doch gab es da so eine Regel, nach der bereits bestehende Bebauungen nur in Ausnahmefällen wieder entfernt werden durften. Betonsockel galten bereits als bestehende Bebauung,deswegen ließen alle in Nacht- und Nebelaktionen große Fundamente aufgießen,
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