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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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bei uns in München, sie kamen im Sommer, wo sie über die Schwüle staunten, und im Herbst, wo sie sich vom bunten Blättertanz verzaubern ließen – denn griechische Bäume entlauben sich nicht, dazu sind die Temperaturen insgesamt zu mild. Sie stapften durch den Schnee und bewunderten das Frühjahrsgrün, das durch die kahlen Zweige brach. Sie besuchten Museen, die Oper, das Staatsballett, Konzerte – aber nie das Oktoberfest. Denn sonderbarerweise ergab sich das irgendwie nie. Aber bald will Onkel Michalis, der heute in seinen Siebzigern und noch rüstig ist, das große Bierfest in München miterleben, um einmal beim echten bayerischen Frohsinn mitzumachen, er hat da noch einigen Nachholbedarf. Lange Zeit nämlich führten wir ihn nicht einmal ins Hofbräuhaus – wir hatten einfach keine Ahnung, dass er daran Spaß haben könnte.
    Ich war zwanzig und hatte meinen ersten eigenen Wagen – einen alterschwachen Fiat 500 –, als Onkel Michalis und Tante Matina das letzte Mal gemeinsam mit ihren fast erwachsenen Kindern anreisten und wir eines Tages beschlossen, den Biergarten des Klosters Andechs zu besuchen. Anna bestand darauf, bei mir mitzufahren, und Tante Matina zuckte zusammen – ich besaß meinen Führerschein erst seit wenigen Tagen. So fuhren wir im Konvoi, ich mit Anna vorne, der Rest in Michalis’ Auto hinterher. Ab der Stelle, wo die Autobahn endete und die Landstraße Richtung Herrsching hügelig wurde, bildete sich eine lange Schlange hinter uns, denn ich hatte noch nicht kapiert, dass man Anstiege durch Herunterschalten bewältigt, und kämpfte mich mit höchstens vierzig Stundenkilometern über die sanften Anhöhen. Als wir auf dem Parkplatz unterhalb des Andechser Klosterbiergartens ausstiegen, war TanteMatina ziemlich blass und sagte, sie freue sich jetzt wirklich auf ein bayerisches Bier.
    Es gab Schweinshaxn, Sauerkraut und eine große Anzahl japanischer Touristen, und Michalis strahlte und lobte die Asiaten: »Seht nur, wie sie das deutsche Essen genießen, dabei sind sie das doch sicher gar nicht gewohnt. Orei anthropi , diese Japaner. Wirklich aufgeschlossen.«
    Wir machten uns also über unsere Haxn her, und alle außer Michalis und mir gönnten sich ein paar Bier; schließlich waren die Teller leer gegessen, die Krüge leer getrunken, da fiel uns auf, dass Michalis verschwunden war. »Er wollte doch nur auf die Toilette«, sagte Matina, doch war er von den Waschräumen nicht zurückgekehrt. Alexis ging nachsehen und kehrte schulterzuckend zurück: kein Michalis. Er war auch nicht im Kloster, nicht im unteren Teil des Biergartens. »Er wird irgendwo etwas Interessantes entdeckt haben, ihr kennt ihn doch«, sagte Mama, doch nach einer weiteren halben Stunde war Michalis immer noch nicht aufgetaucht.
    Wir fanden den Onkel schließlich in einem kleinen Bierzelt, das an jenem Tag auf einer Wiese hinter dem Parkplatz aufgebaut war – eingekeilt zwischen zwei Lederhosenträgern, glückselig schunkelnd zur Blasmusik. Nur mit Mühe konnten wir ihn dazu überreden, endlich von der Bierbank aufzustehen – es wurde schon dunkel, und ich war als Fahrerin ja noch nicht so souverän. »Was für ein kefi «, schwärmte der Onkel. »Und außerdem: Warum habt ihr mich eigentlich nie ins Hofbräuhaus gebracht?! Alle Griechen, die nach München fahren, schwärmen vom Hofbräuhaus. Da gibt’s echte bayerische Gemutlichkait, so wie hier!«
    »Aber Michalis, im Hofbräuhaus sind nur Touristen, deswegen gehen wir niemals dort hin!«, sagte Mama.
    »Na und!«, erwiderte der Onkel. »Ich bin doch auch ein Tourist!«
    Da endlich verstanden wir, was er in München suchte, und lieferten ihn regelmäßig im Hofbräuhaus ab. Wenn wir einige Stunden später wieder hineinschauten, saß er selig schunkelnd zwischen Amerikanern und Koreanern: »Wunderbar, diese Gemutlichkait! Orei anthropi , diese Deutschen!«

Mein Bruder, der Grieche
    S eine Kindheit über war mein Bruder in Griechenland ganz gut ohne nennenswerte Griechischkenntnisse ausgekommen: Er sprach es erbärmlich, fand ich. Er sah das anders. Einig sind wir uns darüber, dass seine Sprachkenntnisse sich erheblich verbesserten, als er älter wurde und begann, das Land auf eigene Faust zu erkunden.
    Schon als Kind war es sein großer Traum gewesen, sich ganz allein an einen einsamen Strand abzusetzen, wie Robinson. Er wollte unter dem Sternenhimmel schlafen und sich ausschließlich von dem ernähren, was er an Fischen aus dem Meer zog. Mit diesem Anliegen

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