Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
nur um die Ecke, dort, wo die Felsküste begann. Die harpunierten Fische und Tintenfische durfte er in der Taverne auf den Grill legen, und so hatten wir auch etwas davon.
»Wann ist es denn so weit?«, fragte ich ihn jeden Tag. »Morgen«, antwortete mein Bruder, doch dann änderte er immer seine Pläne – weil der Wirt ihn wieder mit seinem Boot mitnehmen wollte. Weil es gerade zu heiß war. Oder zu windig. Weil wir erst noch gemeinsam in den Ort mussten, um Mama wieder einmal anzurufen.
Dazu überquerten wir drei die kleine Insel eines späten Nachmittags zu Fuß, ein Trampelpfad führte mittendurch. Das Grün hier war so dicht und üppig wie in einem Urwald, die Bäume standen eng nebeneinander und waren mit Efeu bewachsen. Handtellergroße Spinnen seilten sich von den Ästen ab, und wir sahen merkwürdige, uns völlig unbekannte Vögel – etwa einen, der aussah wie ein Spatz mit einem Irokesen-Haarschnitt, den wir »Spatzenpunk« tauften. (Gut zehn Jahre später, als ich Spetses das nächste Mal besuchte, war kurz davor der komplette Inselwald einem Brand zum Opfer gefallen – das Inselinnere hatte sich in einen Baumfriedhof mit stinkenden, verkohlten Ästen verwandelt. Kurz vor »unserem« Strand war das Feuer offenbar erloschen, und so war die letzte Pinie, die sich links vom Hügel über den Kiesstreifen beugte, verschont geblieben. Doch wurde der kleine Strand offenbarseit vielen Jahren von einem Großaufgebot von Touristen heimgesucht. Das vormals glasklare Wasser war aufgewühlt, Staub überzog die Kiesel, die ohne ihr sauberes Leuchten völlig gewöhnlich wirkten. Und außerdem gab es einen Parasailingbetrieb mit einem permanent ratternden Motorboot in der Mitte der Bucht.)
Im Ort telefonierten wir von einem periptero aus und gingen dann einen trinken. Schon damals gab es ziemlich viele kleine Bars hier, und schon damals fanden besonders trinkfreudige Deutsche und noch mehr feierlustige Briten gern ihren Weg auf die kleine Insel, auf der das Bier so viel billiger war als zu Hause. Weshalb sie es sich bereits zum Frühstück genehmigten. Mittags waren viele von ihnen schon so betrunken, dass sie von den kippeligen griechischen Stühlen fielen, die für so unsicher schwankende Gäste nicht vorgesehen waren.
»Beer? Longdrinks?«, fragte uns denn auch der Kellner. Zerzaust, wie wir nach all den Tagen ohne Warmwasser und bezogene Hotelbetten waren, hielt er uns natürlich für Ausländer (junge Griechen begannen erst später mit dem wilden Campen, und heute kann man sie mit ihren Bärten und Dreadlocks und Tattoos optisch gar nicht mehr von anderen jungen Rucksackreisenden unterscheiden).
»Ochi, tria ouzakia theloume, nein, wir wollen drei Ouzolein«, sagte ich, um gleich mal klar zu machen, dass es sich bei uns keineswegs um ganz gewöhnliche Touris handelte, sondern um Insider. Mein Freund allerdings mochte seinen Ouzo keinesfalls trinken und bestellte sich einen Orangensaft. Mein Bruder war mit fünfzehn auch noch nicht an Alkohol interessiert – das Bier an Bord der Fähre hatte eine Ausnahme dargestellt. Also trank ich die drei Ouzo einfach selbst, ich wollte schließlich nichts verkommen lassen. Immerhin goss ich Wasser hinein.
»Hast du keine Angst, dass dir schlecht wird?«, fragte mein Freund nach dem ersten besorgt.
»Um was wetten wir, dass du heute noch kotzt?«, bemerkte mein Bruder nach dem zweiten bissig.
Ich fühlte mich allerdings gar nicht betrunken, sondern war einfach nur prima gelaunt. Ich erzählte Witze, zog die beiden Jungs auf und lästerte über die Engländer an den Nebentischen, die sich wie fleischgewordene Klischeebriten verhielten – sehr, sehr blau vom Bier und sehr, sehr rot von der Sonne (die »besseren« Briten, die sich für Kultur und nicht nur für Kneipenkultur interessierten, frequentierten andere Inseln oder zumindest andere Bars). Ich fand sie zum Totlachen. Dem Kellner, der ab und zu an den Tisch trat, um Nachschub zu bringen, erzählte ich außerdem ungefragt, dass ich zwar fast noch nie Ouzo getrunken hätte, dass ich ihn aber prima vertragen würde. Das läge an meiner griechischen Abstammung, auf die ich absolut stolz sei, jawohl! Ich war ganz groß in Form.
»Ooooch!«, machte der Kellner und schüttelte missbilligend den Kopf. Er fürchtete wohl ebenfalls, ich könnte mich übergeben, und von kotzenden Ausländern hatten sie in ihrer Bar offenbar bereits genug, so dass ihnen deren Gene total egal waren.
Um es kurz zu machen: In der Kneipe musste
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