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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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gesäumt war. Hinten am Ende, kurz vor der Felsküste, standen ein paar Pinien, unter denen wir unsere wenigen Sachen lagerten. In der Mitte des Strandes gab es noch eine kleine Taverne mit Selbstbedienung und einemWasserschlauch hinter den Toiletten, den wir zum Duschen benutzen durften. Etwas weiter ins Inland hinein, wo ein paar Häuser sich an einer unbefestigten Straße entlang reihten, war eine weitere Taverne mit einem rundlichen, gemütlichen Wirt, der jeden Abend den Grill für die paar wilden Camper vom Strand anwarf, von denen kaum einer über zwanzig war.
    Morgens kamen immer erst ein paar Badegäste aus Spetses, sie kamen mit einem kahiki , einem kleinen Ausflugsboot, oder mit dem Bus vom Hauptort. Die meisten waren Griechen, sie hatten ihre kleinen Kinder und allerhand aufgeblasene Wassertiere und Schwimmringe dabei. Zur Mittagszeit zogen sie geschlossen in die Selbstbedienungs-Taverne oder zu dem Wirt an der Straße und vertilgten griechische Riesenmahlzeiten. Danach mieden sie das Wasser und fuhren allesamt um sechzehn Uhr mit dem Boot oder Bus zurück, um ihren Mittagsschlaf zu halten. Da hatten wir den Strand wieder ganz für uns allein, mein Bruder, mein Freund und ich und die übrigen wenigen Leute, die hier unter den Pinien hausten. Nachts holten wir die Bastmatten und die Schlafsäcke runter an den Strand, die abgerundeten Kiesel passten sich dem Körper bequem an, und wir schliefen großartig unter dem Sternenhimmel bis ungefähr fünf oder sechs Uhr früh. Dann brannte die Sonne heftig vom Himmel, und die Mücken fielen über uns her, und wir zogen unter die Bäume um, wälzten uns noch eine Zeitlang auf dem harten Boden und schwitzten, denn wir mussten die Köpfe in unsere Schlafsäcke stecken, um nicht zerstochen zu werden.
    Ich erinnere mich an zwei blonde Mädchen aus Bremen, beide ein Jahr jünger als ich: sechzehn. Eines Abends hatten sie beschlossen, die Nacht auf den Felsen zu verbringen, der Romantik halber. Sie zogen los mit ihren Luftmatratzen und einer angebrochenen Flasche Retsina; der Wirt der Taverne ander Straße gab ihnen ein paar Kerzen mit und warnte sie vor den Mücken – auf den Felsen gäbe es noch viel mehr davon.
    Am nächsten Tag waren sie so zerstochen, dass eine von ihnen Fieber bekam; der Wirt schickte sie mit dem Bus und einer Hand voll Drachmenscheinen zum Arzt in den Ort auf der anderen Seite der Insel. Das Geld brachten sie zurück: Touristenkinder – und als solche gingen sie beim Doktor drüben noch durch – bekommen ärztliche Behandlungen gratis, das ist auch heute noch so. Das eigene Geld war den Bremerinnen schon längst ausgegangen, der Wirt fütterte die Mädels eine Zeitlang durch mit seinen gebratenen Hühnchen und den Leckereien, die seine Frau hinten in der Küche zubereitete. Als sie schließlich nach Hause abreisen mussten, verkauften sie ihre Habseligkeiten, um sich für das Geld ein Fährticket zu kaufen, und wir erstanden aus Mitleid eine ihrer beiden Luftmatratzen, um die wir uns dann den Rest der Zeit jeden Abend zankten.
    Der Wirt war es auch, mit dem ich meinen Bruder das erste Mal bewusst Griechisch palavern hörte – zwar mit einem deutlichen deutschen Akzent und vielen grammatikalischen Fehlern, dafür aber ganz munter und selbstbewusst. »Toso megalo , so groß«, hörte ich meinen Bruder prahlen und sah ihn die Hände vierzig Zentimeter weit spannen. Es ging natürlich um irgendein Meeresgetier. Der Wirt, der ebenfalls gern fischte, nickte anerkennend und maß seinerseits mit den Händen die Größe der Beutetiere ab, die er zu erlegen pflegte. Als sie Abend für Abend hinten am Tisch an der Wand zur Küche saßen, tavli spielten und miteinander lachten, fiel mir auch zum ersten Mal auf, wie griechisch mein Bruder mittlerweile aussah: Seine früher eher glatten Haare standen ihm seit einiger Zeit kraus vom Kopf, und die vormals niedliche Kindernase hatte sich zu einem stolzen Haken ausgewachsen und war zu einer geradezu klassischen griechischen Nase gereift. Manhätte ihn für einen echten Griechen halten können, statt nur für einen halben.
    Die Tage vergingen mit Baden und Lesen und Baden und Essen, doch immer noch war mein Bruder nicht zu den einsamen Stellen aufgebrochen, die sein eigentliches Ziel gewesen waren. Stattdessen fuhr er frühmorgens mit seinem neuen Freund aus der Taverne im Fischerboot hinaus, und nachts legte er sich zu den anderen Campern an den Strand auf die Kiesel. Tagsüber ging er schnorcheln, aber einfach

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