Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
riesige Schüsseln mit Champignons in Sahnesoße. Das beliebteste Gericht allerdings waren »Snitzel« mit Kartoffelsalat, davon konnten die Verwandten nicht genug bekommen. Irgendwann ging Mama dazu über, zu jeder Mahlzeit einen großen Servierteller voller Schnitzel zu reichen, mal naturell, mal in Panade. Dann ging immer ein verzücktes Ahhh durch die Runde: »Die Deutschen sind kalofagades , Leckermäuler«,schwärmten Tante Meri, Cousine Eleni und alle die anderen, und Onkel Michalis sowieso: »Die wissen, wie man sich’s gut gehen lässt.«
Die Griechen mochten auch die deutsche Salami und den Schinken, nur mit manchen der bei uns geläufigen Käsesorten hatten sie so ihre Probleme – zum Beispiel mit Camembert: »Riecht abgestanden, wie alte Wäsche«, fand Tante Matina und rümpfte die Nase. »Kommt aber gar nicht aus Deutschland, sondern aus Frankreich«, sagte Mama schnell, die aus unerfindlichen Gründen immer bemüht war, die Deutschen gut dastehen zu lassen.
Eine Sache vermissten die Besucher allerdings: Feta-Käse. Ohne Feta, der in Griechenland zu allen möglichen Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten gereicht wird, schienen sie Entzugserscheinungen zu bekommen. Nur leider stand solcher Käse zur Zeit meiner Kindheit und Jugend noch nicht ganz selbstverständlich in deutschen Kühlregalen, auch gab es kaum türkische Lebensmittelgeschäfte. Schließlich entdeckte Mama bulgarischen Schafskäse in der Feinkostabteilung bei Hertie, wo sie Riesenstücke davon erwarb, die unsere Verwandtschaft sich zum Frühstück, zum Nachmittagskaffee und abends zum »Snitzel« einverleibte, und alle schwärmten: »Wer hätte gedacht, dass die Bulgaren so köstlichen Feta machen! Ganz wie bei uns zu Hause.«
Die Griechen mochten auch unseren Kaffee, Filterkaffee, der in Griechenland in den Siebzigerjahren nur in ausgesuchten Athener Cafés ausgeschenkt wurde und dort »französischer Kaffee« hieß. Jeder Besucher erwarb eine elektrische Kaffeemaschine für zu Hause und auch noch ein paar für die Daheimgebliebenen – selbstverständlich deutsche Markengeräte. Mit dem übrigen Getränkeangebot kamen die Griechen weniger gut zurecht: Sie litten in Deutschland richtiggehend Durst.
Selbstredend bestellte Mama für die Besucher im Restaurant Coca Cola oder Limonade, doch das genügt nicht, um den griechischen Flüssigkeitsbedarf zu decken. Zum Überleben brauchen Griechen Wasser in rauen Mengen – nicht nur in kleinen Portionsfläschchen, wie sie seinerzeit bei uns in Lokalen angeboten wurden. Und so spielte sich bei jedem Besucher fast identisch eine Episode ab, wie Tante Meri sie erlebte:
Mama hatte Meri vorgewarnt: »Bevor wir losgehen, solltest du sehr viel Wasser trinken, denn das werden wir in den Restaurants und Cafés nicht kriegen.« Meri blickte ungläubig drein: »Aber es kann doch nicht sein, dass man hier kein Wasser bekommt«, bemerkte sie zweifelnd.
»Vertrau mir einfach und trink zu Hause ein paar Gläser extra. Die wirst du brauchen können«, sagte Mama.
Schließlich, nach dem ausufernden Vormittagsbummel, kehrten sie ein, hungrig und insbesondere durstig. Die pappige Cola konnte diesen Durst allerdings nicht löschen. »Maria, wir brauchen Wasser. Ich verdurste!«
Mama wand sich wieder ein wenig: »Weißt du, die Deutschen trinken eigentlich kein Wasser. Jedenfalls nicht so viel. Aber ich bestelle dir gern welches, dann wirst du schon sehen.«
Sie orderte also Wasser für ihre Schwägerin. Zu jener Zeit – es waren die späten Siebzigerjahre – waren die Deutschen zwar schon viel gereist und hatten fremdländische Gepflogenheiten kennen gelernt – importiert hatten sie sie allerdings noch nicht. Wer also Wasser zum Essen bestellte, bekam nicht ganz selbstverständlich eine Literflasche San Pellegrino oder Evian hingestellt, sondern nur ein winziges Fläschchen Mineralwasser: 0,25 Liter, größere Mengen standen nicht auf der Karte.
Meri kostete und verzog das Gesicht: »Aber das ist doch kein Wasser!«, sagte Meri. »Das ist ja Soda , Sprudel. Das trinktman, wenn man Magenbeschwerden hat. Damit kann kein Mensch seinen Durst löschen.«
»Nun, das ist es nun mal, was die Deutschen mögen.«
»Gibt es denn kein Wasser ohne Kohlensäure?!«, fragte Meri.
»Doch, es wird dir aber nicht schmecken. Es ist eher als Medizin gedacht, nicht so sehr als Durstlöscher. Sie nennen es Heilwasser.«
»Medizin oder nicht – ich verdurste«, sagte Meri, und Mama orderte ein Stilles Wasser aus einer
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