Ich trug das Meer in Gestalt eines Mädchens (German Edition)
mich ganz neu, dass ein anderer mich will. Der Druck seines Körpers an meinem, wie gleich große Särge. Obwohl ich ihn nicht sehr mag und ihm auch nichts zu sagen habe, fühle ich mich mächtig wie nie zuvor, denn sein Körper verlangt nach mir. Es gibt keinen Zugang, ich bin nur zur Ansicht. Zum Schmuck. Sharee und ich haben darüber gesprochen. Wir haben beschlossen, dass wir frühestens mit siebzehn Sex haben werden. Ich bin mir nicht sicher, dass mir das von alleine eingefallen wäre, aber jetzt ist es abgemacht. Er ist überall an mir dran, wie eine Wolke von Insekten. Und wo er mich berührt, werde ich sichtbar – mein Mund, meine Hand, mein Arm, meine Brust unter dem BH , dem T-Shirt – wie wenn jemand ein neues Land entdeckt und jeden Teil benennt: Das Benennen macht den Ort wirklich.
Nach der Party ist draußen immer noch ein Lichtschimmer. Ich gehe nach Hause und habe noch das Gefühl seiner Hände auf mir, seiner beschickerten Geisterhände. Auf dem Stützpunkt ist es still, die Häuser sehen sich zum Verwechseln ähnlich, niedrige Betonbauten. Der sich schlängelnde weiße Gehweg. Wegen der Hitze sind alle in ihren Häusern. Der Stützpunkt war als Amerikas Tor zum Weltall bekannt.
I Dream of Jeannie
hat woanders geflackert und geblinkt, aber die Szenen von
Air Force
sind hier gedreht worden. Die Namensgebung der Stadt war mit einem nachgestellten Raketenabschuss unter Verwendung von Talkumpuder und Dynamit gefeiert worden. Davon wusste ich nichts, wusste nichts von Wernher von Brauns Fernraketen V 2 , die hierhergefunden hatten, bevor ich geboren wurde. Ich wollte immer noch Archäologin werden, dachte immer noch, ich könnte ins alte Ägypten reisen. Selbst auf Bildern kann ich die Kante eines Ziegelsteins, Staub wie von Necco-Waffeln, mit den Fingerspitzen erspüren. Ich möchte jemanden finden und ausgraben. Dessen verlorene Stadt finden und wieder zusammenfügen. Knochen finden, die in Sonne und Hitze geborgen sind, und sie in der Hand halten. Ich bin’s, ich vergesse euch nicht. Hallo, würde ich zu ihnen sagen, wenn ich sie gefunden hätte, hallo, hallo von hier.
Die Waffenabteilung
Drei Jahre bleiben wir an diesem Strand. 1978 ziehen wir an die Küste Spaniens. Ein paar Monate gehe ich in Rota zur Schule, aber dort sagen sie mir, ich hätte den Stoff schon gemacht. Ich erfülle alle Anforderungen und muss nicht noch ein Jahr zur Schule gehen. Ich gehe also nach der elften Klasse ab und werde Sekretärin in der Waffenabteilung auf dem Stützpunkt, wo ich die reguläre Sekretärin, die Ferien hat, vertrete. Man würde denken, ich hätte schon mal ein paar Waffen gesehen: eine M 16 , wie eine Bombe gemacht wird, eine Lunte, eine Haubitze, eine Peitsche oder ein Beil. Es ist meine erste Stelle, in dem Sommer, als ich siebzehn werde, und das Militär will, dass wir etwas zu tun haben. Bevor also das Schuljahr vorbei ist, haben alle Schüler an der Highschool Bewerbungen geschrieben, und ich habe das Kästchen angekreuzt, wo nach Schreibmaschinenkenntnissen gefragt wird.
Während des Vietnamkrieges war mein Dad auf einem Schiff auf See, und wir wohnten in Hawaii, auf der Insel Oahu, und haben seine Rückkehr erwartet. Erst in Waipahu, wo der Erdboden rote Tonerde war, dann in Honolulu. Ich war acht. Ich saß auf dem flauschigen Teppich im Wohnzimmer und schrieb meine ersten Gedichte und Geschichten. Damals war meine Mom Studentin an der Universität von Hawaii und studierte für einen M.A. in Erziehungswissenschaften. Als mein Dad nach einem halben Jahr nach Hause kam, brachte er aus Japan eine Schreibmaschine für mich mit. Ich lernte Schreibmaschine schreiben.
In dem Sommer damals in Spanien sind meine Schulfreunde, unter denen ich mich an Händen und Füßen und Konversation zu groß fühle, damit beschäftigt, Gräben auszuheben, in Wasser und Schlamm zu arbeiten. Quer über ein Feld, über das sie mit Schaufeln marschieren wie Arbeiter unter dem Vorsitzenden Mao, winken sie mir zu, weil ich plötzlich beliebt bin.
Seitdem ich hier bin, habe ich keine einzige Verabredung gehabt, keinen Flirt, nur Pfiffe auf der Straße. Aber in der Waffenabteilung bin ich die einzige Frau unter Hunderten von Männern, Seeleuten, und das Militär bezahlt mir keine zwei Dollar für sehr wenig Arbeit – ein bisschen Schreibmaschine schreiben, ein Junge wechselt das Farbband und fährt mit mir ins Exchange zum Lunch. Es sind Beurteilungen zu schreiben, jeder Seemann kommt in mein Büro, setzt sich auf einen
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