Ich und andere uncoole Dinge in New York
mitgekriegt hat. Das wirft ein zu schlechtes Licht auf mich.
„Also, …“, druckse ich herum.
„Mensch, hast du ein Glück, dass Peter nicht so keusche Ideen wie Amal hat!“, schreit sie begeistert. „Obwohl, so ist es auch ganz schön.“ Sie streicht sich verträumt eine Locke hinters Ohr.
Zum Glück muss ich aussteigen, bevor ich mehr erzählen muss.
„Aber später will ich alles wissen, ALLES“, schreit Rachel mir so laut hinterher, dass sich eine Frau nach uns umdreht. Bevor ich zu Peter gehe, laufe ich noch bei seinem Lieblings-Thailänder vorbei. Peter liebt Thai genauso wie ich. Eine richtig gute Freundin hätte jetzt selbst gekocht, aber ich kann ja schlecht in der Scirox-Mitarbeiterküche ein Curry rühren – außerdem wäre es nie so gut wie von diesem fantastischen Thailaden in der 23. Straße. Die Luft ist lau, es ist herrlich, Luft zu atmen, die vorher nicht durch eine Klimaanlage gejagt worden ist. Nach einer Woche bei Scirox ist das Wetter unwirklich. Es findet jeden Tag nur im kleinen Zeitfenster auf dem Weg zum Subway statt. Aber jetzt ist Wochenende. Endlich hat er Zeit und wir können morgen durch die Stadt laufen und im Central Park mit den anderen Verliebten auf der Wiese liegen und ein Konzert hören. Und knutschen. Und überhaupt. Der Fahrstuhl nach oben dauert ewig, wie immer. Peter macht die Tür auf. Er strahlt und hat weitaufgerissene Augen. Er sieht ein wenig irre aus, wenn ich ehrlich bin. Ich halte meine Papiertüten mit dem Thai nach oben. Er starrt die Tüten an und hat immer noch dieses gefrorene Lächeln im Gesicht kleben.
„Hallo? Alles in Ordnung? Wie ist es gelaufen?“
„Oh. Ich bin aber noch nicht ganz fertig“, stammelt Peter.
„Hey Steph, jetzt mach mal voran. Wir brauchen Nachschub und dann mach dich vom Acker“, ruft eine Stimme aus der Wohnung, die mir bekannt vorkommt.
„Du hast Besuch?“, frage ich. „ Steph?“
Irgendetwas stimmt nicht. Peter sieht mich weiterhin mit diesen aufgerissenen Augen an. Ich schiebe mich an ihm vorbei durch die Tür und mein Blick fällt auf das Bett. Auf dem Bett sitzt Florence.
Sie sitzt eigentlich nicht da, sondern sie thront auf einem aufgetürmten Stapel Kissen und zwar ohne Shirt und nur mit einer sehr kleinen Unterhose, die man fast nicht mehr als solche bezeichnen kann, bekleidet, so dass ich wesentlich mehr von ihr sehe, als ich sehen wollte. Ihr kleiner spitzer Busen hängt etwas nach vorn, während sie eine Zigarette dreht. Dies ist ein Film. Dies ist eine Szene aus einem sehr schlechten Film. Auf dem Bett liegen Medikamentenpackungen und Florence hat die gleichen aufgerissenen Augen wie Peter. Aber sie bemerkt mich noch nicht einmal. So konzentriert ist sie auf das Drehen ihrer Zigarette oder ihres Joints oder was auch immer das ist. Ich sehe sie sogar doppelt, weil die Decke über dem Frisörbett verspiegelt ist. Dieser Frisör hat wirklich null Geschmack. Peter greift nach meinem Arm und sieht mich bittend an. „Judith“, sagt er schleppend. „Ich wusste nicht, dass du kommst.“
Das kann ich mir denken, dass er meine SMS von vorhin nicht gelesen hat, obwohl er sonst ständig sein iPhone checkt. Er ist wohl beschäftigt gewesen.
„Ich wollte das nicht. Mensch, es ist so kompliziert, ich kann dir das erklären.“
Ich drehe mich um und gehe ins Treppenhaus und die Treppen herunter. Ich weiß überhaupt nicht, was ich denken soll. Mein Magen hat sich zusammengezogen. Mein ganzer Körper hat sich zusammengezogen. Alles ist hart und fest. Als ich auf die Straße komme, lasse ich die Tüten mit dem Thai-food in den nächsten Mülleimer fallen und gehe weiter. Ich kann jetzt auf keinen Fall stehenbleiben. So ist das also. Sowas gibt es also wirklich. Das war dann der Typ, dem ich meine Jungfräulichkeit geopfert habe. Gut, mag sein, dass ich die sowieso loswerden wollte, damit ich nicht die Letzte in meiner Klasse bin. Aber so dringend brauchte ich sie dann doch nicht loszuwerden. Heutzutage ist Jungfrausein ja wieder schick (gut, sie war schicker, als Britney Spears noch acht Kilo leichter, cool und ebenfalls offiziell eine war), aber an so jemanden x-beliebigen wollte ich sie wirklich nicht verlieren. Bin ich so eine amerikanische Rachel-Schlampe? Nein, ich bin leider, wie ich ganz insgeheim zugeben muss, eine viel schlimmere Schlampe als Rachel, die sowieso gar keine ist, und dabei schießen mir die Tränen in die Augen. Ich will nicht heulen und versuche, alle Tränen herunterzuschlucken. Aber
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