Ich und du Muellers Kuh
Sache gekämpft, und nachdem sich die Dame beruhigt hatte, kam es sogar zu einem Gespräch zwischen uns beiden. Sehr aufschlußreich, muß ich sagen. Ach ja, Sie machen sich keinen Begriff.« Die Frau Dekan seufzte.
Solche und ähnliche Geschichten vernahmen wir zwischen Suppe und Pudding. Eine neue Welt tat sich vor uns auf, und wir konnten nur mit dem Kopf schütteln und flüstern: »Nein, so was! Schrecklich! Schrecklich!«
»Ja«, sagte die Frau Dekan, »Sie müssen noch viel lernen !«
Mich erfaßte eine tiefe Zuneigung zu dieser Frau Dekan, die so wacker versuchte, den Sumpf der Großstadt trockenzulegen und die so interessant zu erzählen wußte. Ich hätte sie gerne in den Genuß des Kaffees der Nikodemusgemeinde gebracht, aber der Herr Dekan hatte noch anderweitige Verpflichtungen, und so schieden die beiden nach dem Essen von uns.
Wir blieben allein mit Manfreds Freunden bis zum Kaffee im schönen Gemeindesaal mit vielen geladenen Gästen, Posaunenklang, Reden und Gedichten.
»Eine Dame hat zu mir >Frau Stadtpfarrer< gesagt! Wie findest du das, Else?«
»Also, wenn ich mal janz ehrlich sein soll, so eine Frau Pfarrer, wie unsere Frau Pfarrer, so eine kannst du nie nich werden!«
Franziskus wider Willen
Wir hatten ein schwer bewohnbares Pfarrhaus gegen eine schwer bewohnbare Pfarrwohnung eingetauscht.
Die Fenster der fünf Zimmer gingen zur Straße hinaus, die Türen auf einen elf Meter langen, sehr schmalen Gang, der links mit der Küche endete und rechts in eine kleine Diele überging. Diese Diele möblierten wir mit zwei roten Sesselchen, »denn«, so sprach ich zu Manfred, »erschöpften Treppensteigern flimmert es vor den Augen. Sie sehen nur noch rot, sinken auf diese Sessel und erholen sich. Dabei fällt der Straßenstaub von ihren Füßen, der Schnee läuft aus den Rillen ihrer Schuhe, und sauberen Fußes und ruhigen Atems betreten sie unsere Zimmer. Ist das klug, Manfred?«
Er nickte. »Ja, das ist klug.«
Heisterwangs, unsere Vorgänger, hatten das Zimmer neben der Küche zum Eßzimmer gemacht und das Gemach am anderen Ende des Ganges, hinter der Diele, zum Schlafzimmer. Eine an sich praktische und einleuchtende Lösung. Manfred jedenfalls meinte das, und ich hätte mich seiner Meinung sofort angeschlossen, wäre nicht dieses Zimmer das größte und schönste der ganzen Wohnung gewesen, hätte es nicht auf der einen Seite zum Straßenbalkon hinausgeführt und auf der anderen zur Terrasse und wäre es nicht mit dem nächsten Zimmer durch einen Kachelofen und eine Flügeltür verbunden gewesen. Mein Herz hätte geblutet, wäre diese Pracht als Schlafzimmer verkommen. In meinem Elternhaus in Bromberg hatte es auch solche Flügeltüren gegeben, und zwar zwischen Wohn- und Eßzimmer. Ich erinnerte mich gern daran, wie meine Mutter bei Einladungen die Flügeltüren weit öffnete und ins Wohnzimmer hineinsprach: »Darf ich zum Essen bitten. Es ist angerichtet!« und wie später die Gäste zwischen beiden Zimmern hin und her spazierten, das Weinglas in der Hand und viele kluge Worte im Mund, die kein Kind verstand.
»Bei uns zu Hause war es auch so«, sagte ich zu Manfred, »es wirkt kultiviert und großzügig. Und überhaupt sind Flügeltüren dazu da, daß man sie weit öffnet. Willst du, daß aller Augen in dein Schlafzimmer blicken, und jedermann hineintritt und sich auf dein Bett setzt und in deinem Nachttisch wühlt, willst du das?«
»Nein, das will ich nicht, aber es ist praktischer, wenn das Eßzimmer neben der Küche liegt, denk an den weiten Weg mit dem vollen Tablett...«
»Bin ich alt, bin ich schwach?«
»Nein!«
»Also! Ich brauche den Auslauf, jetzt, da ich keinen Garten mehr habe. Drunten im richtigen Pfarrhaus, da haben sie drei Zimmer mit Flügeltüren, ach, wie glücklich wäre ich, wenn...«
»Es ist schon recht«, er seufzte, »machen wir es so, wie du meinst.«
Also lag unser Eßzimmer elf Meter von der Küche entfernt, und ich legte jeden Tag weite Strecken zurück. Nicht, daß ich jemals murrte, aber ich legte meinem Mann den Kauf eines Servierwagens nahe und tat dies so lange, bis wir ihn hatten. Unsere Söhne schoben diesen Servierwagen mit großem Eifer und noch größerer Geschwindigkeit von einem Ende der Wohnung zum anderen, schwangen sich wohl auch noch mit darauf, wenn sie genug Fahrt erlangt hatten, und grämten sich nicht, wenn Soße und Suppe überschwappten. Früher, als wir gedacht, erlag der Servierwagen den Strapazen und brach auf halbem Weg
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