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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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gemacht?« fragte der kleine Christoph.
    »Ach, laß mich in Ruhe!« knurrte ich und warf die Zimmertür hinter mir zu. Ich hatte schmählich Schiffbruch erlitten. Die zwölfjährigen Rangen waren an allem interessiert, nur nicht an David und Goliath, das hatten sie mir deutlich gezeigt. Seitdem ging ich barmherziger mit meinen Religionslehrern um, lernte Psalmen und Gesangbuchverse, meldete mich und sagte sie willig her.
    »Früher warst du ein rechtes Kreuz«, so sprach der Religionslehrer zu mir, »jetzt bist du ein wahrer Lichtblick. Was hat diese Wandlung bewirkt?«
    »David und Goliath«, sagte ich, und als er mich verständnislos ansah, »das Studium der Bibel.«

    Manfred hielt an zwei Vormittagen in der Woche Religionsunterricht im Gymnasium. Er seufzte sehr unter dieser Last und versuchte mehrmals, sie abzuschütteln, doch war seinen Bemühungen kein Erfolg beschieden. Eine andere Bürde aber nahm er gar nicht erst auf, er ließ sie liegen, er machte einen Bogen um sie herum, und das war die Erbschaft des Vorgängers Theophil Heisterwang. Dieser Vorgänger hatte bei der Jugend der Nikodemusgemeinde im Segen gewirkt, hatte einen großen Kreis junger Leute um sich geschart, und da standen sie nun und konnten mit dem neuen Jugendpfarrer nicht recht warm werden. Er war so enttäuschend anders, wollte sich nicht umkrempeln lassen und nicht in die Stiefel des Vorgängers steigen und war überhaupt schrecklich halsstarrig. »Theo hat das aber anders gemacht!« riefen sie ärgerlich.
    »Und ich mache es so!« sagte Manfred.
    »Theo hat immer Zeit für uns gehabt! Wir sind den ganzen Sonntag zusammen gewandert.«
    »Ich wandere gerne, aber nicht so oft, denn ich habe eine Familie!«
    »Theo hat auch eine Familie!«
    »Ich bin nicht Theo!«
    Manfred ertrug es mit erstaunlicher Gelassenheit, daß die jungen Leute sich enttäuscht von ihm abwandten. Ich aber murrte und konnte es nur schwer ertragen, wenn sie Ausflüge zum Vorgänger machten, sich von ihm trauen ließen und zu ihm zur Kirche fuhren.
    »Laß sie doch, Malchen. Es ist ihr gutes Recht, sie sind mit ihm verbunden. Ich kann’s dafür mit anderen.«
    Und wirklich, es scharten sich andere um ihn und waren mit seiner Art zufrieden.
    Aber nicht nur der Vorgänger warf seinen Schatten über uns, wir mußten uns auch mit den höchst lebendigen und gegenwärtigen Kollegen an der Nikodemuskirche auseinandersetzen: Pfarrer Julius Fink, klein, rund, kurzbeinig, mit goldener Uhrkette über der Weste, mit glänzender Glatze und einer mächtigen Baßstimme. Er war der erste von vieren, der »Chef«, wie er von den anderen genannt wurde.
    Bei Konzerten in der Gemeinde pflegte er die Baßpartie zu singen. Dies kam dem Besuch der Kirchenmusiken sehr zugute, eilten doch viele ältere Gemeindeglieder, besonders Damen, zu solchen Veranstaltungen, sobald sie von seinem Mitwirken hörten. Auch wenn sie Musik aufs tiefste verabscheuten, die Programmauswahl mißbilligten oder gerade Kopfschmerzen hatten, sie hörten ergeben Orgelfugen und Instrumentalwerke, bis die Reihe an ihn kam, bis er an die Brüstung der Empore trat, sich räusperte und seine Arie schmetterte. Dann blühten sie auf, lauschten verzückt und drängten sich nach überstandenem Konzert zu ihm, um seine Hand zu ergreifen und zu flüstern: »Herr Pfarrer, ‘s war wieder amol schö!«
    Dies taten sie aber auch nach seinen Predigten, die er, auf einem Hocker stehend, mit rollenden »Rs« und samtenem Baß, mit langen Gedichteinlagen und gedrechselten Sätzen, mit runden Armbewegungen und mildem Lächeln zelebrierte. Er verstand, mit seinen Hörern umzugehen, und sie liebten ihn. Da kam zum Beispiel Frau Eisig, ein kleines, graues Weiblein, zur Bibelstunde. Er rollte auf sie zu, die Hände weit ausgestreckt, mit strahlendem Gesicht. »Meine liebe Frau Eisig! Welche Freude, Sie zu sehen!« Er schüttelte ihr die Hand, er freute sich ehrlich, und sie blühte auf, war nicht mehr klein und grau.
    Auch mir ging seine Sonne auf. »Meine liebe Frau Müller! Welche Freude, Sie hier in unserem Kreise zu sehen! Sie müssen bald einen Besuch bei uns machen!«
    »Ein wundervoller Mensch!« schwärmte ich Manfred vor, »wirklich, man fühlt sich wohl in seiner Nähe!«
    Dort saßen wir denn bald, nämlich auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer und »machten Besuch«. Es war Kaffeezeit, und ich freute mich auf irgendetwas Gutes, das wir sicher bekommen würden, denn wir hatten uns angemeldet.
    Frau Maria Fink erschien mit

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