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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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blütenweißer Schürze überm weinroten Trachtenkleid. Sie überragte ihren Julius an Haupteslänge, er dagegen übertraf sie an Leibesdicke, doch beide blickten sie gleich wohlwollend und zufrieden in die Welt. Maria Fink brachte ein Tablett herein mit einem blauen Milchtopf und blauen Bechern und Keksen, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ein seltsames Angebot für die Kaffeezeit, dachte ich.
    »Mögen Sie Kleiekekse?« fragte sie, »zum Trinken habe ich einen überaus köstlichen, selbst angesetzten Kefir.«
    »Was ist Kefir?«
    »Sie kennen keinen Kefir! Das ist ja unglaublich. Julius, sie weiß nicht, was Kefir ist! Die Karpatenbewohner trinken ihn täglich, und was meinen Sie, wie alt die werden?«
    Ich sagte, daß ich es nicht wüßte.
    »Hundert!« rief sie, »hundert Jahre oder noch viel mehr, und sie erfreuen sich bester Gesundheit, haben keine Tuberkulose und keinen Krebs und warum? Weil sie Kefir trinken! Es ist das reinste Zaubermittel und der Stoffwechsel eines Pilzes.«
    »Der Stoffwechsel eines Pilzes?«
    Ich blickte ohne große Begeisterung auf den Becher, der vor mir stand.
    »Ja, kommen Sie mit in die Küche! Schauen Sie den Pilz einmal an! Er sieht großartig aus!«
    Manfred ging auch mit. Wir sahen ihn in einem Weckglas schwimmen, den Pilz. Er sah aus wie Blumenkohl. Sie hob ihn heraus. Er zog Fäden. Sie ließ uns riechen. Er roch sauer.
    »Na, was sagen Sie dazu? Ist er nicht faszinierend? Er lebt und wächst und bekommt Ableger. Es gibt nichts Besseres für die Darmflora als Kefir! Blase, Niere, Leber, Galle-- alles wird gesund. Allerdings muß man jeden Tag mindestens einen Liter trinken.
    »Einen Liter?« rief ich entsetzt.
    »O, das läppert sich schnell zusammen! Wenn wir jetzt beisammen sitzen, trinkt jeder so seinen dreiviertel Liter, man merkt es gar nicht, denn er schmeckt einfach köstlich. Wissen Sie, wir leben gesund. Kaffee, Tee und andere Gifte, gibt es bei uns nicht. Aber falls Sie Kefir etwa nicht mögen sollten, was mir völlig unverständlich wäre, dann könnte ich Ihnen noch Schlonz anbieten. Es ist auch sehr gesund und vitaminreich.«
    »Was ist Schlonz?«
    »Julius, sie kennt kein Schlonz!« Maria Fink schlug vor Erstaunen die Hände zusammen. »Ja, was trinken Sie denn eigentlich, liebe Frau Müller? Schlonz ist das Wasser, in dem ich die Kartoffeln gekocht habe. Alle Vitamine der Kartoffel befinden sich darin, zur Anreicherung habe ich noch etwas Schrotmehl hineingegeben.«
    »Ich nehme einfach bloß ein Kekschen, weil ich nämlich vorhin Kirschen gegessen habe, und da sollte man nicht so viel trinken.«
    »Schlonz und Kefir können Sie literweise trinken, auch wenn Sie vorher noch soviel Kirschen gegessen haben.«
    Also entschied ich mich für Kefir, weil mir bei Schlonz schon der Name ungeheuer zuwider war.
    Wir erlebten einen beglückenden Nachmittag, wenn man vom Essen absieht. Die Finks waren eine musikalische Familie, und sie verwöhnten uns mit Musik. Alle drei Kinder spielten ein Instrument, der achtzehnjährige Ludwig Cello, die Zwillinge Cosima und Tamina Geige und Flöte. Mutter Maria begleitete auf dem Flügel und Vater Julius sang. Ich hätte mich wahrhaftig wie im Himmel gefühlt, wäre da nicht dieser Kefir gewesen, der mich mit jedem sauren Schluck wieder hinunter auf die Erde zog. Als mein Becher endlich leer war, beugte ich mich zu Manfred hinüber.
    »Komm wir gehen«, flüsterte ich in ein Adagio hinein. Er legte den Finger an den Mund, um keinen Ton der herrlichen Musik zu versäumen. Doch als sie endlich ausgeklungen und Frau Fink Anstalten machte, unsere Becher erneut zu füllen, erhoben wir uns eilends.
    »Es war herrlich, aber jetzt müssen wir wirklich gehen.«
    Maria Fink eilte in die Küche und kehrte zurück mit einem Glas, worin sich ein Kefirpilz befand.
    »Nehmen Sie ihn und verbrauchen Sie ihn gesund!«
    »Aber nein, wir können Ihnen doch diesen wertvollen Pilz nicht rauben!«
    »Es ist nur ein Ableger, und Sie dürfen ihn mit gutem Gewissen nehmen! Es macht mir Freude, wenn Sie auch ein Pilzlein hecken, seien Sie gut zu ihm. Hier ist eine Gebrauchsanweisung und hier eine Packung Kleiekekse für die beiden Kleinen! Besuchen Sie uns recht bald wieder!«
    Der Kefirpilz fristete bei uns ein kurzes, ungeliebtes Dasein. Andreas und Mathias sahen ihn mit Grausen im Glas liegen.
    »Ii, wie ekelig!« riefen sie und schüttelten sich, »gell, Mulchen, mir müsset ihn net esse?«
    Sie mußten nicht, aber Manfred und ich fühlten uns genötigt,

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