Ich und du Muellers Kuh
fleißig sein in der Schule, gelt?«
»Unsere Gitti geht nie mehr in die Speisekammer, um zu naschen!«
»Nie mehr!«
Else brachte aus der Küche die Weincreme herbei.
»Ich hab’ sie mit solcher Liebe gemacht«, hatte Mutti am Nachmittag geklagt, »und jetzt, schau sie dir an, sie ist wieder nicht steif geworden. Es ist mir unverständlich!«
»Weißt du, Mutti, wenn du sie vielleicht mal mit ‘nem Rezept machen würdest und nicht immer bloß mit Liebe, dann...«
»Ach, Kind, ich hoffe ja immer noch, daß sie fester wird, wenn wir sie jetzt im kalten stehen lassen...«
Die Hoffnung trog. Wir löffelten diese Creme zierlich aus Schüsselchen, obwohl sie sich leichter hätte trinken lassen. Von so viel Alkohol und dem langen Aufbleiben berauscht, stolperten wir schließlich die Treppe hinauf in unsere Schlafzimmer und schlummerten sanft und selig dem Neujahrsgottesdienst entgegen.
Auch im eigenen Hausstand war der Silvesterabend bisher in stiller Beschaulichkeit verlaufen. Manfred hatte einen Punsch gebraut, ich einen Heringssalat hergestellt, den wir dann aber nicht so mochten, weil er stark nach Fisch schmeckte. Wir saßen gemütlich, jeder in seiner Sofaecke, lasen, schauten nachdenklich in die Luft, hörten Musik und schimpften über die Rowdies, die draußen Knallfrösche losließen und uns aus unserer Ruhe aufschreckten.
»Wie kann man nur für so etwas Geld ausgeben!« sagte Manfred.
»Was hätte man alles dafür kaufen können!« ich seufzte, »diese Menschen sollten sich schämen!«
»Ja«, sagte Manfred, »zumal es ein heidnischer Brauch ist und den Haustieren einen Schock für’s Leben einjagt.«
Dann fielen wir wieder in Schweigen, lasen, gähnten verstohlen und fanden insgeheim, daß es noch eine lange Zeit bis Mitternacht sei.
»Gehn wir ins Bett, Malchen. Der Schlaf vor Mitternacht ist der beste. Wenn die Glocken läuten, dann wachen wir sicher auf.«
Also gingen wir ins Bett, verschliefen die Jahreswende oder wachten auch auf, schlossen uns gerührt in die Arme und sanken mit vielen guten Wünschen wieder zurück in die Kissen.
Zum Frühstück am nächsten Morgen gab es Neujahrsbrezeln. Ausgeruht und munter blickten wir dem neuen Jahr entgegen.
Das sollte diesmal anders werden. Arm in Arm stiegen wir die Stäffele zu Evelyns Haus hinunter. Schon von draußen hörten wir Tanzmusik, Lachen und Stimmengewirr. Kaum hatte sich die Haustür geöffnet, so stürzte Raskolnikow auf uns zu, seine langen Ohren flogen, er sprang an mir hoch, leckte meine Hände und tat stürmisch kund, wie sehr er sich freute, uns zu sehen.
»Raskolnikow, willst du wohl!«
Evelyn und Karl-Otto erschienen, verscheuchten ihren Dackel und empfingen uns dann mit lärmender Freude. »Schön, daß ihr da seid! Hübsch siehst du aus, Amei, richtig nett! Kommt mit, ihr kriegt was zu trinken. Kennt ihr >blaue lady Nein? Ihr müßt sie kennenlernen!« Karl-Otto reichte uns ein Gläslein, gefüllt mit seltsam blauer Flüssigkeit. »Das ist die >blaue lady Ich nuckelte erst vorsichtig, dann immer freudiger. »Wunderbar! So erfrischend. Sind da Zitronen drin?«
»Ja, auch Zitronen!« sagte Karl-Otto und lachte.
Als Anfängerin im Umgang mit alkoholischen Getränken ahnte ich freilich nicht, daß diese blausaure Flüssigkeit neben sehr wenig Zitronensaft sehr viel Alkohol enthielt und daß sie bestens geeignet war, aus einer ahnungslosen Pfarrfrau eine >blaue lady< zu machen. Vorerst machte sie mich heiter und gelöst. Freundlichen Blickes betrachtete ich die bunte Gesellschaft.
Männlein und Weiblein standen angeregt plaudernd im Zimmer. Sie rauchten, nippten am Aperitif, balancierten Appetithäppchen zum Mund, und fiel etwas auf den Boden, so lag es nicht lange dort, denn Raskolnikow, der gefräßige, kleine Dackel, war sofort zur Stelle. Er schnappte nach allem Eßbaren, sprang von einer Menschengruppe zur anderen, ließ seine Ohren fliegen, kläffte und fühlte sich als der Held des Tages, zu dessen Ehre und Vergnügen dies alles veranstaltet war.
»Kommt ihr beiden! Ich stelle euch vor, damit ihr die Leutchen kennenlernt.«
Evelyn schubste uns dem nächststehenden Pärchen zu. Ein Hüne mit Bürstenhaarschnitt beugte sich hinunter zu einer üppigen Blondine.
»Hört auf zu flirten«, sagte Evelyn, »und werft einen Blick auf meine Pfarrers!«
Sie schauten uns an, wir schauten sie an. Mir wurde schwindlig. Der Ausschnitt der Dame bot derart großzügigen Einblick in freundliche
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