Ich und du Muellers Kuh
hinunter zum Auto. Judy und Manfred beratschlagten, wo man zu dieser späten Stunde noch etwas zum Essen bekäme.
»Leute, mir langt’s!« knurrte Christoph, »ich will nach Hause!«
»Ich auch!« sagte ich.
Am nächsten Morgen erwachte ich mit einem seltsamen Gefühl. In meinem linken Bein zog es schmerzhaft von der Wade aufwärts bis zur Hüfte. Seit der Operation hatte ich dergleichen nicht mehr gespürt. Ich stieg aus dem Bett, ging kurz in die Knie und humpelte dann ins Badezimmer.
»Manfred, was Wundervolles ist passiert! Rat mal!«
Er ließ den Rasierapparat sinken und drehte sich langsam nach mir um.
»Malchen, sag mir bloß nicht...«
»Ich hab Muskelkater! Richtigen Muskelkater im linken Bein. Ist es nicht toll?«
Er atmete auf und fuhr mit der Hand durch mein verwuscheltes Haar.
»Na, Gott sei Dank! Dann ist ja alles gut! Ich dachte schon...« Der Rest seiner Rede erstarb im Surren des Rasierapparates.
»Christoph, ich hab Muskelkater!«
Am anderen Ende der Leitung ließ sich ein Grunzen vernehmen.
»Na wenn schon! Ich hab auch welchen, deshalb brauchst du mich nicht aus der Sitzung zu rufen!«
»Für mich ist es ein ganz großer Fortschritt!«
»Und für mich eine große Strapaze! Aber was tut man nicht alles!«
Weg war er.
»Judy, das hast du geschickt gemacht!«
»Was meinst du jetzt? Um was geht es?«
»Um die Tanzstunde. Judy, du bist eine Diplomatin von Format!«
»Wenn man in eure Familie einheiratet, wird man es notgedrungen. Es ist eine Überlebensfrage. Tschüüs!«
Die Tanzstunden blieben eine Strapaze, wenigstens für uns Geschwister, und wären nicht Judy und Manfred gewesen, die uns unermüdlich vorantrieben, wir hätten uns spätestens vor dem Haus des Tanzmeisters davongeschlichen und wären geflohen.
Bei einer dieser Tanzstunden vermeinte Christoph sogar einen Herzinfarkt nahen zu fühlen. Das war, als der Tanzlehrer sich kopfschüttelnd vor ihm aufbaute und »Sie machen es falsch, mein Herr!« sagte. Er bat Judy zur Seite zu treten, nahm ihre Stelle ein, forderte Christoph auf, den Arm um ihn zu legen und ein Tänzchen unter Männern zu wagen. Christoph aber tat nichts dergleichen, sondern legte seine Hand aufs Herz und keuchte, er stünde am Rand einer Attacke.
»Das ist gut!« rief der Tanzlehrer erfreut, »ich hab’s auch mit dem Herzen!« Griff in die Brusttasche und holte ein Schächtelchen heraus; darin lagen viele bunte Pillen. »Bedienen Sie sich, mein Herr! Alle sind für’s Herz. Die gelbe darf ich besonders empfehlen! Wie fühlt sich der Schmerz an? Krampft es oder zieht es?«
»Mehr dumpf«, sagte Christoph, »ein dumpfer Druck.«
»Wunderbar!« jauchzte der Tanzlehrer, »ja, diesen dumpfen Druck, den kenne ich auch. In diesem Fall würde ich zu der roten raten, sie hilft in Sekundenschnelle! Bitte, greifen Sie zu, mein Herr!«
»Ja, diese rote sieht wirklich hilfreich aus«, Christoph griff ins Pillenschächtelchen, »vielen Dank!«
Der Tanzlehrer eilte davon, um Wasser zu holen, Manfred stürzte zu Christoph.
»Du wirst doch hoffentlich nicht irgendeine Pille...«
Christoph hob beschwichtigend die Arme.
»Hab sie schon unten«, sagte er zum Tanzlehrer, »aber ich trinke gerne noch etwas hinterher.«
Er trank das Wasser aus.
»Spüren Sie schon eine Wirkung?« Der Tanzlehrer schaute ihn erwartungsvoll an.
»O ja, jetzt kommt sie! Eine herrliche Wirkung! Aber vielleicht sollte ich mich doch ein wenig setzen...«
»Natürlich, selbstverständlich! Wie konnte ich es nur vergessen! Solch eine Herzattacke ist eine ernste Sache. Wie gut, daß ich mich auskenne!«
Der Tanzlehrer geleitete seinen Patienten zu einem Sessel, ließ ihn dort sanft nieder, drückte noch ein Kissen in sein Kreuz und eilte dann beschwingt zurück in die Mitte des Saales.
»Pardon, meine Damen und Herren! Ein kleiner Samariterdienst zwischen den Tänzen. Unser Patient ist schon auf dem Weg der Besserung. Bitte nehmen Sie Aufstellung.«
Er wählte Judy als Partnerin, indessen Christoph geruhsam in seinem Sessel lehnte und stillvergnügt zuschaute.
»Du fauler Bursche!« fauchte Judy, als wir zum Ausgang gingen.
Er lächelte und legte gleich darauf das Gesicht in schmerzliche Falten, denn der Tanzlehrer faßte ihn am Arm. »Wollen Sie noch eine rote für den Notfall, oder möchten Sie’s einmal mit der gelben versuchen?«
»Wenn Sie gestatten, würde ich noch einmal zu der roten greifen. Sie war außerordentlich wirksam!«
Die beiden Herren schieden voneinander in
Weitere Kostenlose Bücher