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Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesse Andrews
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dermaßen öde, dass wir fast durchdrehten. Wir rannten mit Wasserpistolen durchs Haus und jagten Cat Stevens, aber Dad verbot uns das, nachdem dabei ein paar Sachen kaputtgegangen waren. Als wir schließlich an einem Sonntagnachmittag das ganze Haus nach irgendetwas durchsuchten, das auch nur entfernt einem Videospiel ähnelte, stieß Earl auf Dads DVD -Sammlung.
    Komischerweise hatten mich Dads DVD s nie richtig interessiert. Die einzigen Filme, die ich mir bis dahin hatte anschauen wollen, waren Kinder- oder Trickfilme. Diese anderen, nicht-animierten Streifen schienen mir was für Erwachsene zu sein. Ich hatte mehr oder weniger angenommen, dass sie langweilig wären. Und wahrscheinlich hätten sie mich auch, wenn ich versucht hätte, sie mir allein anzusehen, zu Tode gelangweilt.
    Aber Earl entdeckte sie und flippte aus und machte Glotzaugen und sagte: »Scheiße Mann, das ist es«, und irgendwas in meinem Kopf machte klick , und ich sah die Filme mit völlig neuen Augen.
    Besonders begeistert war er anscheinend von Aguirre, der Zorn Gottes . »Guck dir diesen durchgeknallten Typen an!«, schrie er und zeigte auf Klaus Kinski, der auf dem Cover einen Wikingerhelm trägt und aussieht wie ein Psychopath.
    Und darum legten wir – mit Dads Erlaubnis – den Film ein und schauten ihn uns an.
    Es sollte das einschneidendste Erlebnis in unserem bisherigen Leben sein.
    Der Film war unglaublich. Er war verstörend und schrecklich und unglaublich. Wir mussten ihn jedes Mal anhalten, wenn ein Untertitel eingeblendet wurde, und ein paarmal aus dem Zimmer rennen und Dad dazu bringen, uns dieses und jenes zu erklären, bis Dad schließlich den Film mit uns ansah, und selbst dann war er noch unglaublich.
    Dads Anwesenheit war sogar eine große Hilfe. Er las uns laut die Untertitel vor und beantwortete unsere Fragen zur Handlung – und wir hatten jede Menge Fragen, weil in dem Film alle verrückt sind.
    Noch einmal: Er war unglaublich. Keiner von uns beiden hatte so etwas je erlebt. Es war komisch, es war grausig. Es wurde viel gestorben, aber nicht wie in den Videospielen. Der Tod kam langsamer, blutiger und nicht so regelmäßig daher. Bei GoldenEye sieht man, wie jemand erschossen wird, und dann sieht man, wie er auf den Rücken fällt und am Boden zerbröselt: Hier jedoch tauchten die Leichen wie aus heiterem Himmel auf. Das Beiläufige daran riss uns vom Hocker. Jedes Mal, wenn jemand starb, schrien wir: »Oh , krass! « Die Spannung war nicht auszuhalten. Am Anfang ist Klaus Kinski noch einigermaßen normal und bringt die erste halbe Stunde niemanden um. Danach mordet er, als wäre es keine große Sache, und man hat keine Ahnung, wann er es als Nächstes tun wird. Man kann sein unberechenbares Psychopathenhirn nicht durchschauen. Wir flippten völlig aus.
    Uns begeisterte alles an dem Film. Uns begeisterte, wie langsam er war. Uns begeisterte, dass er eine Ewigkeit dauerte. Eigentlich wollten wir, dass er nie aufhörte. Uns begeisterten der Dschungel, die Flöße, die albernen Rüstungen und Helme. Uns begeisterte, dass er ein bisschen wie ein Amateurvideo daherkam, als wäre das alles tatsächlich passiert und irgendwer auf dem Floß hätte zufällig eine Kamera dabeigehabt. Ich glaube, am meisten begeisterte uns, dass es für niemanden ein Happy End gab. Die ganze Zeit hatten wir irgendwie erwartet, dass einer überleben würde, denn so funktionieren Geschichten: Selbst wenn es ein totales Desaster ist, bleibt jemand übrig, der hinterher alles erzählen kann. Nicht in Aguirre, der Zorn Gottes . Nix da. Jeder stirbt. Der Hammer.
    Auch kamen in dem Film die ersten Brüste vor, die ich je gesehen habe, obwohl sie nicht meiner Vorstellung entsprachen, wie Brüste auszusehen hatten. Sie ähnelten Kuheutern, und eine war größer als die andere. (Im Nachhinein betrachtet könnte das möglicherweise für meinen totalen Mangel an sexueller Reife verantwortlich gewesen sein, von dem wir schon gesprochen haben. Andererseits lief ich wenigstens nicht durch die Gegend und sagte Dinge wie: »Das Beste an deinen beiden Titten ist, dass sie gleich groß sind.«)
    Danach stellten wir Dad einen Haufen Fragen über den Film, und irgendwie kamen wir auf die Dreharbeiten zu sprechen, die ein totales Desaster gewesen sein müssen. Die Leute wurden krank, Schauspieler und Crew saßen monatelang im Dschungel fest, und möglicherweise sind ein paar von den Crewmitgliedern gestorben, Dad war sich da nicht sicher. Das Beste war, dass der

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