Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
jeder gerne von sich erzählt.
Aber diese Theorie ließ sich irgendwie nicht auf Rachel anwenden. Jedes Mal, wenn ich zu Rachel ging, war ich entschlossen, sie zum Reden zu bringen, und wenn ich dann da war, dauerte es nicht lange, bis ich quasselte wie jemand auf Chrystal Meth.
I NNEN . R ACHELS Z IMMER – T AG
Zum zweiten oder dritten Mal ist GREG bei RACHEL zu Besuch. Beide hocken im Schneidersitz auf dem Boden.
GREG
Also. Was siehst du dir gern im Fernsehen an?
RACHEL
Ach, einfach, was gerade läuft.
GREG
Aus dem Gleis geworfen von der schnöden Gehaltlosigkeit der Antwort
Na ja, zum Beispiel – Naturdokus? Realityshows? Alles, was gerade kommt?
R ACHEL
Ja, mehr oder weniger.
GR EG
Aber nicht den Kochsender, oder?
Rachel zuckt die Achseln.
G REG
Hier ist mein Problem mit dem Kochsender: Okay, also die meiste Zeit sieht das Essen eklig oder seltsam aus. Es liegt in einer komischen Sauce, die aussieht wie Sperma, oder es ist mit Tintenfisch gefüllter Ziegenhuf oder so was. Aber manchmal ist es auch irgendwas Gutes , und die Leute essen es und machen Mmmm! Lecker! – und das macht es noch schlimmer! Weil man selbst es ja nicht essen kann. Man guckt nur zu, wie die Leute da irgendwas Köstliches essen und erfährt nicht mal, wie es schmeckt, und es macht einen wahnsinnig. Aber meistens sieht das Essen gar nicht so gut aus.
R ACHEL
diplomatisch
Manche Leute finden schon, dass es gut aussieht.
GREG
Okay, aber außerdem zeigen sie immer einen Koch wettbewerb . Essen ist doch kein Sport. Es ist lächerlich, Köche gegeneinander antreten zu lassen. Wie zum Beispiel bei Iron Chef , dieser kulinarischen Gameshow, wo das Ganze in einem Küchen- Stadion stattfindet? Das ist lächerlich. Und am Ende heißt es jedes Mal: »Sie haben ehrenhaft am Wettbewerb teilgenommen.« Wie kann man denn einen Eintopf überhaupt unehrenhaft kochen?
R ACHEL
kichert
Hmmm.
GREG
Ich meine, wenn der Kochsender aus Essen einen Sport machen kann, warum da haltmachen? Weißt du? » Eiserner Klempner , heute in der Klo-Arena.« Oder, oder, nein, warte. Vergiss es. »Und heute live aus dem Klo-Center: Die Super-Pupser.«
Vier Stunden später. Greg und Rachel sitzen noch HAARGENAU SO DA .
GREG
… Ich will damit nur sagen, es ist doch verrückt, dass wir Tiere in unseren Häusern wohnen lassen. Einfach verrückt.
R ACHEL
Ich sollte jetzt wahrscheinlich runter zum Essen.
GREG
aufgeschreckt
Warte mal, wie spät ist es?
R ACHEL
So gegen acht.
GREG
Au Scheiße.
Auf ihre stille Art war Rachel tatsächlich so was wie genial.
1. Rachel setzte meine eigene Taktik gegen mich ein: Respekt, Rachel. Das ist ein Judotrick der allerersten Sahne. Sie steuerte unsere Unterhaltungen so, dass ich redete und sie zuhörte. Und tatsächlich bewirkte das, dass ich gern Zeit mit ihr verbrachte. Ich hab euch ja gesagt, die Taktik ist der Hammer. Auch im Zuhören war sie fantastisch. Ich meine, ich an ihrer Stelle hätte mich echt gelangweilt oder wäre irgendwann sauer geworden. Super-Pupser , Greg? Echt jetzt.
2. Rachel machte keinerlei Anspielungen, dass wir fummeln oder heiraten sollten. Obwohl ich ihr erzählt hatte, dass ich heftig in sie verliebt gewesen war, versuchte sie nicht, die verlorene Zeit nachzuholen. Was wahrscheinlich dazu geführt hätte, dass ich eine Scheißangst bekommen und vielleicht eine ernste seelische Störung vorgetäuscht hätte, eine Taktik, die ich hin und wieder erwog, um mich aus bestimmten Situationen herauszuwinden. Wenn sich je ein paar Jocks in der Umkleidekabine auf mich stürzen sollten zum Beispiel. Im Fernsehen werden seelisch gestörte Kids immer wieder gern von Jocks gequält, aber meinen Beobachtungen im realen Leben zufolge halten sich alle mehr oder weniger von ihnen fern. Jedenfalls hatte ich befürchtet, die Taktik bei Rachel anwenden zu müssen, aber zum Glück war das nicht nötig.
3. Indem sie mich dazu brachte, so viel zu reden, verleitete Rachel mich schließlich dazu, vertrauliche Informationen auszuplaudern, was letztlich zu meinem Niedergang führte. Verrate ich zu viel? Vielleicht verrate ich an dieser Stelle zu viel.
INNEN . RACHELS ZIMMER – TAG
GRE GS dritter oder vierter Besuch bei Rachel. Greg hat bemerkt, dass H UGH J ACKMAN auf einem der Bilder einen leichten Silberblick hat und dass ihm eines seiner Augen durchs Zimmer folgt. Rachel hat gerade irgendetwas gesagt und schweigt.
GREG
abgelenkt
Was?
R ACHEL
Ach, war nicht so wichtig.
GREG
Entschuldige, Hugh
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