Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
wollte, dann scheiß drauf. Ich beschloss, den Spieß umzudrehen.
»Nein«, sagte ich. »Ich meine, was wirst du denn studieren?«
Rachel starrte mich komisch an.
»Ich meine, wenn du ans College gehst, was willst du da studieren?«
Rachel drehte irgendwie ihren Kopf weg. Spätestens da hätte ich die Klappe halten sollen, aber ich tat es nicht.
»Bei welchem College bewirbst du dich überhaupt?«
Rachel starrte jetzt auf den leeren Fernsehbildschirm, während ich dasaß und meinen blöden fetten Bauch auf sie richtete, und es war der Moment, in dem mir aufging, dass ich mich wie ein Arsch benahm. Genauer gesagt, wie ein Mega-Arsch. Ich erkundigte mich bei einem sterbenden Mädchen nach ihren Zukunftsplänen. Das ist so ungefähr das arschigste, was man machen kann. Scheiße, Mann. Ich hätte mir am liebsten eine reingesemmelt. Ich wäre gern gegen eine Tür gerannt.
Was noch lange nicht hieß, dass ich ihr nicht trotzdem übelnahm, wie traurig und feindselig und komisch sie war, und dass sie mir ein schlechtes Gewissen machte, weil ich versuchte, sie aufzuheitern.
Mit einem Wort, ich hasste alle Anwesenden. Ich zog mein Hemd herunter und versuchte, diese Unterhaltung irgendwie zu beenden, ohne dass sich einer von uns beiden umbrachte.
»Hey«, sagte ich. »Mom hat mir dieses affige Collegeverzeichnis gegeben. Du kannst es haben, falls du mal reinschauen willst. Ich habe es sogar gerade dabei.«
»Ich melde mich dieses Jahr nicht zum College an.«
»Oh.«
»Ich will erst warten, bis es mir besser geht.«
»Klingt nach einem guten Plan.«
Sie starrte weiterhin den Bildschirm an, irgendwie ausdruckslos und gleichzeitig angepisst.
»Sehr gut«, sagte ich, »weil dieses Buch ohne Ende nervt. Es ist tausendvierhundert Seiten dick und auf jeder zweiten Seite wird irgendeine ominöse christliche Uni in Texas oder so vorgestellt.«
Darf ich euch mal was sagen? Es war ziemlich anstrengend, ständig irgendwas Komisches zu improvisieren. Und vielleicht hätte ich einfach halblang machen sollen. Aber ich fand, dass ich sie unbedingt zum Lachen bringen müsste, sonst wäre mein ganzer Besuch eine Pleite gewesen. Also legte ich tapfer ein neues Quasselalbum auf.
»Außerdem irritiert mich das alles, weil es mir im Prinzip nur vor Augen führt, dass mich keine gute Uni nehmen wird. Wenn man zum Beispiel hinten anfängt und bei ›Yale‹ landet, denkt man, klasse, Yale, da sollte ich mich bewerben, weil es eine gute Uni ist. Na schön. Aber dann stellt man fest, dass sie einen Notendurchschnitt von mindestens Eins mit drei Sternchen verlangen. Tatsache. Und man denkt, spinnen die, der Notendurchschnitt an der Benson geht nicht mal bis zur Eins rauf .«
Rachel schien jetzt ein bisschen aufzutauen, obwohl ich das Gefühl hatte, dass das nichts mit meinem Gequassel zu tun hatte. Ich beschloss dennoch, damit weiterzumachen, denn so verging wenigstens die Zeit. Überhaupt ist das ja das Beste an so einem Quark. Nicht, weil er komisch ist, obwohl guter Quark ja meistens tatsächlich ziemlich komisch ist. Das Wichtigste daran ist, dass man damit die Zeit totschlägt und nicht über irgendwas Deprimierendes sprechen muss.
»Ja. Und dann ruft man bei denen in der Zulassungsstelle an und sagt so was wie, hey Yale, was soll der Scheiß mit euren Einsern, und dann sagen sie, ach so, wissen Sie, also wenn Sie ein etwas ehrgeizigerer Schüler gewesen wären, dann hätten Sie die G eheime Yale-Vorbereitungs-Highschool entdeckt, die tief unterhalb Ihrer normalen Highschool begraben ist, wo alle Lehrer so gruselige untote Genies sind, und das wäre der Ort gewesen, wo Sie sich Ihren Einser- oder noch besseren Notendurchschnitt hätten erwerben können, und wo man außerdem das Geheimnis der Zeitreise erlernen kann. Und, äh, und wie man aus ganz normalen Haushaltsgeräten künstliches Leben erschafft . Dann könnten Sie den Mixer zum Le- e-e -e-ben erwecken. Der Mixer wird dann Ihr treuer Diener, der Ihnen die Post bringt , nur dass er sie versehentlich immer in Stücke reißt , weil er ein Mixer ist. Ya- a-a -a-ale.«
»Weißt du was, Greg, du kannst das Buch mal hierlassen.«
Die Chance, dass sie das nur sagte, um mich loszuwerden, war ziemlich groß, aber wenigstens war es eine Reaktion, und fast eine positive.
»Ernsthaft?«
»Es sei denn, du willst es behalten.«
»Nee. Spinnst du? Ich hasse dieses Buch. Super.«
Ich kramte es aus meinem Rucksack hervor. Ich war unglaublich erleichtert, es loszuwerden. Und vielleicht
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