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Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesse Andrews
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ich Krebs habe«, sagte sie, »und Chemotherapie kriege.«
    Jedenfalls hat bei der vernichtenden Bombardierung der bösen Buben definitiv auch Rachel-Stadt einigen Schaden genommen, speziell in den Vierteln Haarhausen, Hauthofen und im Magen-Darm-Distrikt. Darum hatte sie den Hut gekauft. Es war so ein niedliches rosa Plüschteil, das normalerweise Mädchen tragen, die in Einkaufszentren herumrennen, nicht blasse Mädchen, die die ganze Zeit im Bett liegen.
    Wenn das also ein normales Buch über ein an Leukämie leidendes Mädchen wäre, würde ich wahrscheinlich ellenlang über all die tiefgründigen Dinge labern, die Rachel zu sagen hatte, während sie immer kränker wurde; außerdem würden wir uns wahrscheinlich ineinander verlieben und hätten ein unglaublich intensives romantisches Ding am Laufen, bis sie in meinen Armen sterben würde. Aber ich habe keine Lust, euch anzulügen. Sie hatte nichts Tiefgründiges zu sagen, und wir haben uns definitiv nicht ineinander verliebt. Nach meinem bescheuerten Ausbruch schien sie ein bisschen weniger sauer auf mich zu sein, aber im Prinzip wechselte sie nur von gereizt auf still.
    Also ging ich sie besuchen und erzählte irgendwas, und dann lächelte sie oder kicherte manchmal ein bisschen, aber meistens sagte sie nichts, bis mir der Erzählstoff ausging und wir einen Gaines/Jackson-Film einlegten und ihn uns ansahen. Erst die etwas neueren, später dann die älteren, als wir von den neuen genug hatten.
    Sich die Filme mit Rachel zusammen anzusehen war eine merkwürdige Erfahrung, weil sie so dermaßen auf sie abfuhr. Ich weiß, es klingt bescheuert, aber wenn ich da neben ihr saß, sah ich die Filme plötzlich so, wie ich mir vorstellte, dass sie sie sah – wie ein unkritischer Fan, dem tatsächlich all die blöden Entscheidungen gefallen , die wir getroffen hatten. Ich sage nicht, dass sie mich so weit brachte, die Filme gern anzusehen. Ich schätze, mir wurde nur klar, dass man all die unsäglichen Mängel und Pannen vielleicht irgendwie in Kauf nehmen könnte. Man bemerkte die schlechte Beleuchtung oder die seltsamen Toneffekte und ließ sich dadurch von der Geschichte ablenken, die wir erzählen wollten, und dachte stattdessen einfach nur an mich und Earl als Filmemacher, die irgendwie versehentlich die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Und wenn man uns mochte, dann gefiel einem das auch. Vielleicht betrachtete Rachel alles, was wir machten, auf diese Weise.
    Aber sie sagte nichts dazu, darum kann es sein, dass ich mir das alles nur einbildete.
    Währenddessen schien sich ihr Zustand nicht zu verbessern, und es gab ein paar Tage, da war sie in einer richtig düsteren Stimmung, und ich konnte nichts tun, um sie aufzuheitern. Eines Tages hatten wir uns zum Beispiel einen Film zusammen angesehen und sie war die ganze Zeit richtig still gewesen, aber dann sagte sie: »Greg, ich glaube, du hattest recht.«
    »Was?«
    »Ich sagte, ich glaube, du hattest recht.«
    »Oh.«
    Sie sagte nichts, als erwartete sie, dass ich wusste, was sie meinte.
    »Ich hab, äh, meistens recht.«
    »Willst du nicht wissen, wobei?«
    »Äh, ja.«
    Oder sie erwartete vielleicht gar nicht, dass ich wusste, was sie meinte. Wer weiß? Mädchen sind verrückt, und sterbende Mädchen sind es erst recht. Moment mal, das klingt widerlich. Ich nehme es zurück.
    »Also, wobei hatte ich recht?«
    »Ich glaube, du hattest recht, als du sagtest, ich würde sterben.«
    Ich finde es grauenhaft, dass ich mich jetzt darüber auch noch beschwere, aber ich kam mir damals vor wie der letzte Dreck. Ich war dermaßen sauer, dass sie das sagte. Ich versuchte, meinen Ärger herunterzuschlucken.
    »Ich habe nie gesagt, dass du stirbst.«
    »Du hast aber ge dacht , dass ich sterbe.«
    »Hab ich nicht.«
    Sie verstummte, und das machte mich rasend.
    »Hab ich nicht «, sagte ich etwas zu laut.
    Das war eine Lüge, und das wussten wir beide.
    Schließlich sagte Rachel: »Na ja, also solltest du es gedacht haben, hättest du recht gehabt.«
    Danach schwiegen wir beide eine Ewigkeit. Lieber hätte ich sie angeschrien. Vielleicht hätte ich es tun sollen.
    VERDAMMTE SCHEISSE ICH HA SSE ES DARÜBER ZU SCHREIBEN

Sechsundzwanzigstes Kapitel – Menschenfleisch
    Das Leben eines Menschen ist wie ein großes wirres Ökosystem, und wenn es eins gibt, worüber Biolehrer gerne schwafeln, dann darüber, dass sich Veränderungen in einem Teilbereich eines Ökosystems auf das große Ganze auswirken. Also nehmen wir mal an, mein Leben sei

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