Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
hatte Rachel jetzt weniger das Gefühl, dass sie sterben musste.
»Hier, bitte sehr.«
»Leg’s einfach auf den Tisch.«
»Wird gemacht.«
»Okay.«
Sie war eventuell ein bisschen aufgetaut, aber sie lachte immer noch nicht und reagierte auch nicht besonders auf mich, und irgendwie verlor ich leicht die Kontrolle und sagte: »Es gelingt mir kein bisschen, dich aufzuheitern, wenn ich dich besuchen komme. Ich bin ein Blödmann.«
»Du bist kein Blödmann.«
»Irgendwie doch.«
»Du musst mich ja nicht besuchen, wenn du nicht willst.«
Das war ziemlich schwer zu schlucken. Denn offen gestanden wollte ich sie auch gar nicht ständig besuchen. Es war stressig genug, wenn sie gute Laune hatte. Jetzt, wo sie superkrank und andauernd sauer war, stresste mich das ohne Ende. Es trieb zum Beispiel meinen Blutdruck hoch. Ich saß da und hatte dieses blöde Herzflattern, das man immer kriegt, wenn der Blutdruck verrücktspielt. Aber ich wusste, dass ich mich noch mieser fühlen würde, wenn ich sie nicht besuchte.
Darum kann man sagen, dass mir das Ganze total mein Leben versaut hat.
»Ich komm nicht her, weil ich nicht will «, sagte ich. Und weil das keinen Sinn ergab, stellte ich klar: »Ich komme hierher, weil ich will. Wenn ich keine Lust hätte herzukommen, warum sollte ich dann verdammt noch mal kommen?«
»Weil du dich verpflichtet fühlst.«
Darauf konnte man wirklich nur noch mit einer Lüge antworten.
»Ich fühle mich nicht verpflichtet . Außerdem bin ich vollkommen irrational und unzurechnungsfähig. Das bedeutet, wenn es Dinge gibt, zu denen ich verpflichtet bin, dann mach ich sie nicht mal. Ich habe keine Ahnung, wie das geht, ein normales Leben führen.«
Dieser Ansatz war lächerlich, darum ruderte ich zurück und fing noch mal von vorn an.
»Ich möchte doch herkommen«, sagte ich. »Wir sind Freunde.«
Dann sagte ich: »Ich mag dich.«
Es fühlte sich unglaublich peinlich an, so was zu sagen. Ich glaube nicht, dass ich diese Worte je zuvor zu irgendjemandem gesagt hatte, und werde es auch wahrscheinlich nie wieder tun, weil man sie nicht sagen kann, ohne sich wie ein totaler Blödmann vorzukommen.
Jedenfalls antwortete sie: »Danke.« Es war unklar, wie sie das meinte.
»Be dank dich nicht bei mir.«
»Okay.«
»Ich meine, entschuldige. Das ist doch der Wahnsinn. Ich schrei dich gerade an.«
Ich wollte nur noch weg. Aber ich wusste, dass ich mir wie eine Arschgeige vorkommen würde, wenn ich jetzt einfach abhaute. Ich schätze mal, sie spürte das auch.
»Greg, ich bin krank«, sagte sie. »Ich bin nun mal zurzeit nicht besonders fröhlich.«
»Ja.«
»Du kannst gehen.«
»Okay, gut.«
»Ich freu mich, wenn du mich besuchen kommst.«
»Das ist schön.«
»Vielleicht geht’s mir nächstes Mal besser.«
Aber wie sich herausstellte, war das nicht der Fall.
Scheiße, ich hasse es, darüber zu schreiben.
Fünfundzwanzigstes Kapitel – Leukämie-Leitfaden eines Vollidioten
Vielleicht sollte ich erklären, was es mit der Leukämie auf sich hat, nur für den Fall, dass euch das Ganze unklar ist. Vor der Sache mit Rachel wusste ich extrem wenig darüber. Jetzt weiß ich einigermaßen Bescheid, was offen gestanden mehr ist, als ich im Grunde jemals darüber wissen wollte.
Manche Krebsarten befallen einen Körperteil, Lungenkrebs zum Beispiel, oder Hinternkrebs. Ihr denkt wahrscheinlich, dass es Hinternkrebs gar nicht gibt, aber falsch gedacht. Jedenfalls kann man bei diesen Krebsarten manchmal rangehen und sie operativ entfernen. Aber Leukämie ist ein Blutkrebs und Knochenmarkkrebs, darum verteilt er sich im ganzen Körper, und man kann ihn nicht einfach mit dem Skalpell herausschneiden. Ich meine, die Sache mit dem Skalpell ist eindeutig beängstigend und eklig, aber die andere Methode, den Krebs zu bekämpfen, besteht darin, ihn mit Bestrahlungen und/oder Chemikalien zu beschießen, was noch viel schlimmer ist. Und bei Leukämie muss man das mit dem ganzen Körper des Betroffenen tun.
Was furchtbar ätzend ist.
Mom sagte, es ist wie eine Stadt, in die »böse Buben« eingedrungen sind – irgendwas an Rachels Situation lässt Mom vergessen, dass ich kein Zweijähriger mehr bin – , jedenfalls ist es wie eine Stadt mit bösen Buben, und die Chemo ist so, als würde man Bomben über der Stadt abwerfen, um die bösen Buben zu töten. Und dabei wird ein Teil der Stadt in Schutt und Asche gelegt. Ich habe Rachel davon erzählt, die verächtlich reagierte.
»Es ist eher so, dass
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