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Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesse Andrews
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    »Schschschsch.«
    »Mirrss…«
    »Es ist schwer, einen Freund zu verlieren.«
    »Da – darum geht – g-g eht’s nicht.«
    »E s ist einfach schwer, Schätzchen.«
    »Darum geht’s nnnicht, n…icht.«
    »Schschsch.«

Sechsunddreißigstes Kapitel – Rachel - der Film
    Rachel – der Film (Regie: G. Gaines u.E. Jackson, 2011). Dieser Film, eine unkonventionelle Hommage an das Leukämie-Opfer Rachel Kushner, ist vielleicht besonders bemerkenswert wegen seines verwirrenden Mischmaschs unterschiedlicher Genres; Dokumentationsmaterial, Interviews, Zeitraffer-Animation und Puppenspiele werden zu einem Ganzen zusammengefügt, das man nur als Riesenchaos bezeichnen kann. Die Regisseure Gaines und Jackson lassen den Film sogar mit einer grobkörnigen, verpixelten und an Rachel persönlich gerichteten Entschuldigung beginnen, in der sie zugeben, dass der Film schlecht organisiert und weitgehend zusammenhangslos ist. Dann folgt ein Potpourri aus peinlichen Genesungswünschen von Highschool-Schülern und -Lehrern, Sockenpuppen, die aufeinander einprügeln, LEGO -Figuren, die mit unverständlichem Akzent sprechen, schlecht gescannten Fotos aus Kushners Kindheit und anderen absurden Rohrkrepierern, die in extrem begrenzter Beziehung zum Thema stehen. Der weinerliche, melodramatische Schluss, in dem wieder die Regisseure auftreten, ist schlicht eine Zumutung. Er stellt jedoch das passende Ende für einen Film dar, der sich mit großer Wahrscheinlichkeit rühmen darf, der schlechteste aller Zeiten zu sein.
    Als ich zum letzten Mal mit Rachel sprach, hatte sie Rachel – der Film ein paarmal gesehen, und ich wusste nicht genau, wie ich mit ihr darüber reden sollte. Wie immer war sie im Bett, diesmal jedoch ohne Hut. Sie klang auch wie immer: die Stimme etwas rau, die Nase verstopft. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass auch ich vielleicht ein bisschen so klinge.
    »Hey«, sagte ich.
    »Hey«, sagte sie.
    Aus irgendeinem Grund hatte ich Lust, einen Fistpound mit ihr zu machen, tat’s aber nicht.
    »Ich hab Rachel – der Film gesehen«, sagte sie.
    »Hmmmm.«
    »Er hat mir gefallen.«
    »Du weißt, dass du das echt nicht sagen musst.«
    »Nein, er hat mir wirklich gefallen.«
    »Na, wenn du meinst.«
    »Ich meine, er ist wahrscheinlich nicht mein Lieblings film.«
    Irgendwie war es eine große Erleichterung, dass sie ehrlich war. Ich weiß nicht, warum es mich so erleichterte. Schon möglich, dass ich irgend so eine Störung habe, bei der meine Gefühle regelmäßig versagen und ich die ganze Zeit dasitze und irgendwas völlig Unpassendes empfinde. Man könnte es das Gefühlskrüppel-Syndrom nennen.
    »Genau, denn wenn es dein Lieblingsfilm gewesen wäre, dann würde das bedeuten, dass du einen echt fragwürdigen Geschmack hast, denn er ist wirklich nicht sehr gut.«
    »Er ist gut, bloß eben nicht so gut wie ein paar von den anderen.«
    »Nein, im Ernst, ich weiß nicht, was da passiert ist. Wir haben uns unglaublich angestrengt, und dann, ich weiß nicht. Wir haben es einfach nicht hinbekommen.«
    »Ihr habt es doch ganz gut gemacht.«
    »Nein, haben wir nicht .«
    Ich hätte ihr gern erklärt, warum die Sache so fürchterlich schiefgelaufen war, aber natürlich wusste ich gar nicht, warum. Ich meine, Earl und ich sind keine Profi- Filmemacher, aber an diesem Punkt in unserer Karriere hätten wir etwas Besseres zustande bringen müssen als dieses kranke deprimierende Chaos namens Rachel – der Film .
    »Du bist lustig«, sagte sie. Ich hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr so strahlend lächeln sehen.
    »Was?«
    »Du bist so streng mit dir. Das finde ich lustig.«
    »Ich bin streng mit mir, weil ich ein Riesenidiot bin.«
    »Bist du nicht.«
    »Doch, du hast keine Ahnung.«
    Vielleicht konnte ich ihr tatsächlich nicht erklären, wie wir den miesesten Film auf der ganzen Welt gemacht hatten. Aber mich runtermachen , das konnte ich! Mir wird zunehmend klar, dass das eigentlich meine Lieblingsbeschäftigung ist.
    »Nein, du weißt ja nicht, was in meinem Kopf abgeht. Für jede unglaublich bescheuerte Sache, die ich mache oder sage, gibt es ungefähr fünfzig schlimmere, die ich nur aus Glück nicht mache oder sage.«
    »Greg.«
    »Ich mein’s ernst.«
    »Ich bin froh, dass wir wieder Freunde geworden sind.«
    »Ach wirklich? Ich meine, ja. Ich meine, ich auch.«
    Und dann saßen wir da und sagten eine Weile gar nichts. Ihr hofft jetzt wahrscheinlich, dass ich nur so dahinschmolz vor Liebe und Zärtlichkeit.

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