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Ich Und Kaminski

Ich Und Kaminski

Titel: Ich Und Kaminski
Autoren: Daniel Kehlmann
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gefallen. Aber es wäre natürlich albern, wenn ich ernsthaft damit...«
    »Das will ich meinen.« Er setzte umständlich seine Brille auf. »Frühstück!«
    Ich zündete noch eine Zigarette an, es schien ihn nicht zu stören. Für einen Moment bedauerte ich das. Ich blies den Qualm in seine Richtung. Ein Schild wies zu einem Rasthaus, ich fuhr auf den Parkplatz, stieg aus und schlug die Tür hinter mir zu.
    Ich ließ mir absichtlich Zeit, er sollte ruhig warten. Das Restaurant war staubig und verraucht, es waren kaum Gäste da. Ich verlangte zwei Becher Kaffee und fünf Croissants. »Gut einpacken, den Kaffee nicht zu schwach!« Über ihren Kaffee habe sich noch keiner beschwert, sagte die Kellnerin und warf mir einen trägen Blick zu. Ich sagte, sie müsse mich mit jemandem verwechseln, den das interessiere. Sie fragte, ob ich ihr blöd kommen wolle. Ich sagte, sie solle sich beeilen.
    Mühsam balancierte ich die dampfenden Becher und die Papiertasche mit den Croissants zum Wagen. Die hintere Tür stand offen, ein Mann saß auf der Rückbank und sprach auf Kaminski ein. Er war dünn, hatte eine Hornbrille, fettige Haare und vorstehende Zähne. Neben ihm lag ein Rucksack. »Bedenken Sie, lieber Herr!« sagte er. »Vorsicht ist das wichtigste. Das Übel tarnt sich als der leichtere Weg.« Kaminski nickte lächelnd. Ich setzte mich ans Steuer, schlug die Tür zu und sah fragend von einem zum anderen.
    »Das ist Karl Ludwig«, sagte Kaminski in einem Ton, als wäre jede weitere Frage überflüssig.
    »Sagen Sie Karl Ludwig zu mir.«
    »Er wird ein Stück mitfahren«, sagte Kaminski.
    »Das geht doch in Ordnung?« fragte Karl Ludwig.
    »Wir nehmen keine Anhalter mit!«
    Ein paar Sekunden war es still. Karl Ludwig seufzte. »Ich habe es gesagt, lieber Herr.«
    »Unsinn!« sagte Kaminski. »Zöllner, wenn mich nicht alles täuscht, ist das mein Auto.«
    »Schon, aber...«
    »Geben Sie mir den Kaffee! Wir fahren.«
    Ich hielt den Becher vor ihn hin, absichtlich ein wenig zu hoch; er tastete danach, fand und nahm ihn. Ich legte ihm die Papiertasche in den Schoß, trank meinen Kaffee aus, er war natürlich doch zu schwach, warf den Becher aus dem Fenster und ließ den Motor an. Parkplatz und Raststätte schrumpften in den Rückspiegel.
    »Darf ich mich erkundigen, wohin Sie fahren?« fragte Karl Ludwig.
    »Natürlich«, sagte Kaminski.
    »Wohin fahren Sie?«
    »Das ist persönlich«, sagte ich.
    »Das will ich gern glauben, doch...«
    »Und damit meine ich, daß es Sie nichts angeht.«
    »Sie haben ganz recht.« Karl Ludwig nickte. »Ich entschuldige mich, Herr Zöllner.«
    »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    »Herrgott«, sagte Kaminski, »weil ich ihn gerade verwendet habe.«
    »Eben deshalb«, sagte Karl Ludwig.
    »Erzählen Sie von sich!« sagte Kaminski.
    »Da ist nicht viel zu erzählen. Ich hatte es schwer.«
    »Wer nicht«, sagte Kaminski.
    »Da sprechen Sie etwas Richtiges aus, lieber Herr!« Karl Ludwig rückte an seiner Brille. »Denn sehen Sie, ich war einmal jemand. Scharfer Blick die Welt zu schauen, Mitsinn jedem Herzensdrang, Liebesglut der besten Frauen und ein eigenster Gesang. Und jetzt? Sehen Sie mich an!«
    Ich zündete eine Zigarette an. »Wie war das mit den Frauen?«
    »Das war Goethe«, sagte Kaminski. »Erkennen Sie eigentlich gar nichts? Geben Sie mir auch eine.«
    »Sie dürfen nicht rauchen.«
    »Richtig«, sagte Kaminski und streckte die Hand aus. Ich dachte daran, daß es schließlich in meinem Interesse war, und legte eine Zigarette hinein. Ein paar Sekunden lang fühlte ich Karl Ludwigs Blick im Rückspiegel. Ich seufzte und hielt die Schachtel so über meinen Kopf, daß er eine Zigarette herausnehmen konnte. Er griff zu, ich spürte, wie seine Finger sich weich und feucht um die meinen legten, und zog mir die Schachtel aus der Hand.
    »He!« rief ich.
    »Sie beide, wenn ich das sagen darf, erscheinen mir merkwürdig.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Wieder sein Blick im Spiegel: schmal, konzentriert und hämisch. Er bleckte die Zähne. »Sie sind nicht verwandt, nicht Lehrer und Schüler, auch arbeiten Sie nicht zusammen. Und er...« Er hob einen dünnen Finger und zeigte auf Kaminski, »...kommt mir bekannt vor. Sie nicht.«
    »Das wird seine Gründe haben«, sagte Kaminski.
    »Ich vermute!« sagte Karl Ludwig. Die beiden lachten. Was ging hier vor?
    »Geben Sie die Zigaretten zurück!« sagte ich »Wie unaufmerksam von mir. Bitte entschuldigen Sie.« Karl Ludwig rührte sich nicht. Ich rieb mir
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