Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
ich.
»Im Boston Globe steht es auch. Wie wahrscheinlich in jeder größeren Zeitung. Das Fernsehen setzt auf mehr Sensation.«
»Nämlich?«
»Dass das alles hier gegen Elles Willen geschieht. Sie senden immer wieder die Behauptungen ihres Bruders. Aber die Aktivisten von Pro-Life versprühen ihr Gift ebenso heftig. Wenn du die Nachrichten einschaltest, kannst du es selbst sehen.«
Ich rieb mir den Nacken und warf einen Blick auf den dunklen Bildschirm an der Wand. »Ich hatte mit so etwas gerechnet.«
Phil druckste herum. »Du solltest heute einmal nach Hause gehen und dich ausschlafen. Das alles ist mein Fehler. Hätte ich nicht darauf bestanden, sie sofort zu operieren …«
»Jetzt hör aber auf! Denk doch mal nach: Hättest du Elle nicht operiert, wäre das Baby jetzt ebenfalls tot. Das alles hier tue ich doch nur für das Baby.«
Phil wandte den Blick ab. »Es tut mir so leid. Du hast eigentlich anfangs gar nicht gewollt, dass sie operiert wird, und jetzt fühle ich mich verantwortlich dafür, dass du dich in dieser Situation befindest. Und die Medien …« Er blätterte die Zeitung durch.
»Verdammt, Phil, hör endlich auf damit. Natürlich ist die öffentliche Aufmerksamkeit nicht angenehm, aber Jake hat mich darauf vorbereitet. Und darauf, dass schmutzige Wäsche gewaschen werden würde.«
Ich sah es als Kollateralschaden. Der militärische Begriff passte insofern, als ich mich ja tatsächlich in einer Art Krieg befand. Und ich war so verzweifelt, dass mir inzwischen ganz egal war, was aus meinem Ruf und meiner Existenz wurde und ob die Beziehung zu Elles Bruder und meiner Mutter in die Brüche ging. Wenn dieses Baby starb, war ohnehin nichts mehr zu retten. Ich klammerte mich an dieses Baby, als könne es mich erlösen – anstatt andersherum.
Phil trat von einem Fuß auf den anderen. »Okay. Ich will mich nicht einmischen, aber du siehst wirklich erschöpft aus.Elle ist stabil, ihre Blutgaswerte sind gut. Warum gehst du nicht heim und schläfst ein paar Stunden? Du hast nicht mehr richtig geschlafen, seit es passiert ist. Vielleicht hilft es dir.«
Die Vorstellung, zu schlafen, hatte etwas Verführerisches, obwohl ich mich über Phils Andeutung, ich könne vielleicht nicht mehr klar denken, ein wenig ärgerte. Eigentlich hatte er recht, aber ich wollte Elle nicht allein lassen, weil ich fürchtete, jemand könne in meiner Abwesenheit die lebenswichtigen Apparaturen abstellen. Mir war klar, dass ich auf Phil unvernünftig wirken musste. Umgekehrt würde es mir vermutlich ebenso gehen. Trotzdem empfand ich es als meine Pflicht, bei ihr zu bleiben. »Ab und zu schlafe ich durchaus«, antwortete ich.
»Ab und zu genügt aber nicht. Du siehst aus wie ein Gespenst. Hör zu, wir müssen einen Luftröhrenschnitt machen und eine PEG legen. Clint wird sie operieren. Soll er dir den üblichen Vortrag über Risiken und Nebenwirkungen halten, oder kannst du die Einwilligung einfach so unterschreiben?« Phil legte mir das Formular vor, und ich gab mit meiner Unterschrift mein Einverständnis, bei Elle eine Tracheotomie durchzuführen und ihr einen endoskopischen, künstlichen Magenzugang zu legen.
Phil nickte. »Geh dich inzwischen duschen und rasieren. Bis du zurück bist, sind wir fertig. Du solltest nicht zuschauen.«
»In Ordnung.«
»Ach übrigens, ich habe bei Mark Nguyen die Dexamethason-Dosis erhöht. Sein Hirnödem hatte sich verschlimmert. Danke, dass du den Ball mit dem MRT ins Rollen gebracht hast.«
»Schon gut.« Ich stand auf. Für Sekundenbruchteile geriet der Raum um mich ins Wanken.
»Du musst unbedingt schlafen. Geh für ein paar Stunden ins Bereitschaftszimmer.«
»Danke.« Ich musste wirklich einen klaren Kopf behalten.Als ich eine Stunde später zurückkehrte, war Elles Zimmer stiller als zuvor. In Elles Mund steckte kein Endotrachealtubus mehr. Stattdessen hatte man ihre Luftröhre geöffnet und eine Atemkanüle eingesetzt. In ihrem schönen Hals, genau in der Vertiefung, wo ich sie so gern sanft geküsst hatte, steckte jetzt ein Kunststoffrohr.
Ich zog ein Foto von ihr aus meiner Brieftasche. Sie lächelte mich mit schimmernden Augen an. Ich konnte mich an keinen einzigen Augenblick erinnern, in dem sie nicht so ausgesehen hatte, als wisse sie etwas, das mir entging – ein Geheimnis, das mich immer fesselte.
Jetzt aber waren ihre Augen leer. Ich benetzte ihre aufgesprungenen Lippen mit Wasser und bestrich sie mit Vaseline. »Alles in Ordnung, Peep«, sagte ich. Doch das
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