Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
schönen Schein dient. Wann warst du das letzte Mal in der Kirche?«
»Bei Dylans Begräbnis vor einem halben Jahr. Wir haben eine Messe für ihn lesen lassen. Im engsten Familienkreis.«
»Viel zu lang her«, wandte Jake ein. »Bei den Katholiken gibt es doch die Letzte Ölung. Hat sie die bekommen?« Mir kam es vor, als taste er blindlings nach jedem möglichen Halt. Selbst die Letzte Ölung war für ihn nur ein Trick.
»Nein«, antwortete ich. »Sie heißt übrigens Elle. Und man nennt das Sakrament nicht Letzte Ölung, sondern Krankensalbung.«
»Schon gut«, meinte er ein wenig respektvoller. »Wir müssen jedenfalls klarstellen, dass du und Elle praktizierende Katholiken seid. Deshalb wäre es gut, den Pfarrer einzubeziehen. Ich weiß, dass du nie besonders religiös warst, aber ihr habt schließlich kirchlich geheiratet.«
»Das war Elles Wunsch.« Sie würde vermutlich auch die Krankensalbung wünschen, und deshalb würde ich den Pfarrer anrufen. Ihretwegen, nicht wegen Jake. »Sie ging manchmal zur Messe. Meistens ohne mich.«
»War sie seit dem Begräbnis noch einmal da?« Jake wies auf eine Parkbank.
Ich ließ mich auf die verwitterte Bank fallen und warf einen Blick auf die Aussicht. Nebel kroch den Hügel hinauf. »Ja, am Karfreitag. Sie betete den Kreuzweg. Das hatte sie schon früher mit ihrer Mutter getan.« Alice hatte sehr großen Wert darauf gelegt, und trotz der vielen Jahre, die seit ihrem Tod vergangen waren, besuchte Elle regelmäßig am Karfreitag die Messe und legte anschließend Blumen auf das Grab ihrer Mutter.
»Mein Partner hat mir erzählt, dass Pfarrer nicht gerne sagen, jemand sei ein Gemeindemitglied, wenn er nie in die Kirche geht. Aber ich muss die Möglichkeit haben, den Pfarrer in den Zeugenstand zu rufen.« Jake setzte sich neben mich, entfernte ein Gummiband von einem Stapel Karteikarten und begann, sie durchzublättern.
Merkwürdig, aber alles was, er über den Katholizismus sagte, war irgendwie daneben. Katholiken sprachen zum Beispiel kaum je von Gemeinde; sie sagten Pfarrei. Und sie besuchten die Messe, nicht den Gottesdienst. Widerstrebend musste ich feststellen, dass eine Menge dieser Dinge – wie zum Beispiel die katholischen Begriffe – tief in mir verwurzelt waren. Ich war mit der Eucharistiefeier am Sonntagmorgen aufgewachsen und hatte beim Glaubensbekenntnis den Kopf gebeugt: Er hatFleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden … ganz gleich, ob ich wollte oder nicht.
»Weiter im Text«, sagte Jake. »Wenn du mit deiner Aussage an der Reihe bist, werde ich zweckmäßigerweise die Fragen nach Elles neurologischem Zustand dir und nicht Phil stellen. Du bist ebenso Experte wie er, und du wirst den Leuten erklären, dass ein Mensch in ihrem Zustand keinen Schmerz mehr empfinden kann und sich seiner selbst nicht bewusst ist.«
Ich nickte. Schmerzen hatte sie sicher nicht. Und auch keine Angst. Immer wieder versuchte ich, mich selbst zu beruhigen.
»Wenn bemängelt werden sollte, dass du wegen deiner Beziehung zur Patientin befangen bist, werde ich einen anderen Neurologen oder Neurochirurgen hinzurufen, der deine Aussage bestätigt. Anschließend fasst du deine Beziehung zu Elle zusammen und erzählst dem Gericht, wie sehnlich ihr euch ein Baby gewünscht habt und dass Elle auch nach mehreren Fehlgeburten immer noch unbedingt ein Kind wollte. Das sagt etwas darüber aus, wie sie sich vermutlich entschieden hätte.« Jake griff nach der nächsten Karte. »So, wie der Richter meinen Einwand abgeschmettert hat, andere Staaten würden im Fall einer Schwangerschaft anders mit Patientenverfügungen umgehen, werde ich dieses Argument zunächst einmal nicht benutzen.«
Obwohl ich fest daran glaubte, dass Elle sich gewünscht hätte, unter diesen besonderen Umständen am Leben erhalten zu werden, war ich mir nicht sicher, ob ich die generelle Aufhebung in anderen Staaten richtig fand. Ich brauchte wenigstens nur über einen einzigen Fall nachzudenken und fragte mich, wie viele Frauen sich dieser Rechtslage bewusst waren. »Könntest du den Richter bitten, die Presse aus dem Gerichtssaal auszuschließen? Unser Leben gehört nicht auf die Titelseite«, forderte ich Jake auf.
Jake lehnte sich zu mir hinüber. »Ich weiß, du willst die Öffentlichkeit meiden, aber die Anwesenheit der Presse ist gut für unseren Fall. Je besser die Massen informiert sind, desto weniger kann die Notlage des Babys ignoriert werden.
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