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Ich waer so gern ganz anders, aber ich komme einfach nicht dazu

Ich waer so gern ganz anders, aber ich komme einfach nicht dazu

Titel: Ich waer so gern ganz anders, aber ich komme einfach nicht dazu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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    Sie verleihen der Rückmeldung Wert und Nutzen
    Was jemand über uns sagt, ist im Grunde nicht das Wesentliche. Spannender ist, wie wir das Gesagte bewerten. Erst durch die Bewertung kommt es zu einer Reaktion von uns – oder nicht. Sie können beispielsweise zu mir kopfschüttelnd sagen: »Na, du und deine verrückten Ideen!«, und ich zucke daraufhin nur lächelnd mit den Achseln. Ist doch mir egal, denke ich, was manche Menschen zu meiner Kreativität sagen, oder wie sie diese empfinden.
    Wichtig ist, wer etwas zu mir sagt, erst dann kann ich die Rückmeldung für mich einordnen. So klingt hinsichtlich der Kreativität bei mir nicht viel an, wenn es von Menschen kommt, die in ganz anderen Kontexten leben. Für eine Bekannte, die Bilanzbuchhalterin ist, bin ich beispielsweise schon megakreativ, wenn ich ein paar Bildchen male. Wer sagt also was? Wenn hingegen Menschen aus dem Verlagswesen etwas dazu sagen, höre ich genau hin, wäge ab, baue ab und um. Eines Tages meinte so ein Verleger zu mir: »Na, Frau Weiner, toll, dass Sie so kreativ sind, aber dieses eruptive Schreiben, das sollten Sie mal überdenken.« Auweia, aua, iiieeeh! Das saß, das zwickte und ich nahm die Botschaft ernst. Seitdem überprüfe ich genauer, wann und wie ich schreibe. Er hat damit nämlich recht und ich nahm sein Feedback zum Anlass, über meine Art des Schreibens nachzudenken. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht zwischendrin weiter als kleiner Vulkan mein Buchstabenfeuer spucke.
    Äußerungen zu Ihrer Person können interessant sein oder beleidigend. Es kommt darauf an, welches Wertesystem Sie zugrunde legen. Wenn zwei Männer sich treffen und zueinander in der Umarmung sagen: »Na, du alter Depp! Auch wieder hier?«, kann das durchaus freundlich gemeint sein. Und das, was sehr hochwertig klingt, ist in Wirklichkeit fies gemeint. Ich denke dabei zum Beispiel an die Rückmeldungen, die ich in Kunstkreisen höre. Einer fragt: »Wie findest du den Song?«, und bekommt zur Antwort: »Sehr interessant!«. Fehlt nur noch die arrogante hochgezogene Augenbraue, dann ist der Schlag perfekt. Natürlich gibt es handfeste Beleidigungen, aber die meisten Rückmeldungen können Sie erst einmal neutral annehmen. Damit meine ich auch die positiven. Eine Kollegin von mir war einmal ganz aus dem Häuschen, weil man sie in einer Zeitung als charismatisch beschrieben hatte. Die Frage ist aber doch: Wer hat es gesagt und was versteht dieser Mensch darunter? Einen Menschen mit Tiefe, einem Wertesystem, Demut und Einfühlungssystem, oder bedeutet charismatisch,dass ich gut auf mich aufmerksam machen kann, also über eine prima Selbst-PR-Strategie verfüge? Erst wenn geklärt ist, was unter einem Begriff zu verstehen ist, wenn ich das Bewertungssystem kenne, weiß ich, ob ich mich freuen will oder nicht. Bis dahin zaubert ein Lob bei mir erst einmal nur ein Lächeln aufs Gesicht, aber es berührt mich nicht, denn Senf bleibt Senf – egal ob positiv oder negativ formuliert. Wie Sie sich mit einer wunderbaren Übung statt Senf ein konstruktives Feedback einholen können, erfahren Sie in Kapitel 3 auf den Seiten 78–81.
    Rückmeldungen müssen also nicht nur kritisch sein. Sie können einen auch überraschen und erfreuen. Indem Sie eine Rückmeldung in einen neuen Kontext stellen, können Sie ihr damit Ihre ganz persönliche Bewertung verleihen. Das geschieht im sogenannten Refraiming. Man gibt einem alten Bild einen neuen Rahmen und erschafft damit ein neues Bild. Diese kleinen kreativen Arbeiten sind, wie ich finde, ein ganz besonderes Vergnügen.
    Welcher Rahmen darf’s denn sein?

    Vor einiger Zeit war ich des Öfteren von der Situation genervt, dass an meinem Äußeren häufig etwas unstimmig war – ein besseres Wort fällt mir hierfür nicht ein. Gemeint ist, dass Menschen, mit denen ich mich unterhielt, im Gespräch Fussel, Krümel, Falten bei mir bemerkten. Das ist auch heute noch so. Regelmäßig hängt aus meinem Pulli das Schildchen am Rücken raus, ein Faden schlüpft aus der Weste, etwas ist verdreht, unordentlich, muss gerichtet werden. »Ich mach mal eben …«, das ist der Beginn des Satzes und schon fingern fremde Hände an mir herum. Darüber war ich eine ziemlich lange Zeit genervt. Warum konnte ich nicht so ordentlich wie andere Menschen sein und »Warum habe immer ich Krümel auf der Bluse?«, schimpfte ich mich selbst. Andere Menschen liefen ja auch nicht wie Krümelmonster durch die Welt. Mein Ärger dauerte so

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