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Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Titel: Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Siegelwachs und als Empfänger meinen Namen.
    Damals fand ich es total lustig.
    Aber in Harwich fand ich es weniger lustig.
    Im Hafen wurde ich einer kurzen medizinischen Untersuchung unterzogen, bei der ich den Mund aufmachen musste, damit der Doktor einen Blick hineinwerfen konnte, und schon winkte er mich weiter.
    Danach ging es zum Zoll.
    Beim Anblick so vieler Beamter in Uniform bekam ich plötzlich Angst, doch dann sagte ich mir, dass es ja keine SS -Männer waren.
    Ich war jetzt in England und in Sicherheit.
    Danach bestiegen wir erneut einen Zug, diesmal einen englischen, der uns von Harwich nach London brachte.
    Ich weiß noch, wie ich staunte, dass alle Sitze Lederpolster hatten, obwohl es ja die dritte Klasse war.
    »Meine Damen und Herren, dieser Zug wird in Bälde den Bahnhof Liverpool Street erreichen«, verkündete eine Stimme über Lautsprecher.
    Liverpool Street, London, England.
    Ich nahm meinen Koffer und betrat, mit Rose an meiner Seite, den Bahnsteig, und wir wurden zusammen mit den anderen Kindern in eine große Halle geführt.
    Dort wurde Rose von ihrer Tante und ihrem Onkel begrüßt, die sie sofort mitnahmen, ohne dass wir die Gelegenheit gehabt hätten, unsere Adresse auszutauschen.
    Als ich ihr nachblickte, wie sie mit dem Willkommensluftballon, den ihre Tante und ihr Onkel ihr mitgebracht hatten, über dem Kopf davonging, fühlte ich mich plötzlich etwas einsam.
    Doch ich verdrängte dieses Gefühl rasch wieder und beschloss, zu dem großen Tisch zu gehen, der mitten in der Halle stand und auf dem viele leckere Sachen lagen.
    Ich wusste, ich hätte etwas essen sollen, aber mir war plötzlich so übel, dass ich keinen Bissen hinunterbekam.
    Statt etwas zu essen, setzte ich mich lieber auf eine der Sitzbänke an der Wand und wartete auf Mrs Rix, meinen guten Engel, die gute Fee, die so freundlich war, mir ihr Herz zu öffnen und mich in ihr Heim aufzunehmen.

8
    LONDON
    Der Bahnhof Liverpool Street war unglaublich schmutzig an jenem Julitag. So schmutzig, dass mein schöner neuer Regenmantel innerhalb weniger Minuten nach meiner Ankunft voller Ruß war.
    Ich habe mich fürchterlich geschämt.
    Und ich hoffte inständig, dass Mrs Rix es nachher nicht bemerken würde.
    Die meisten anderen Kinder waren bereits von ihren Pflegeeltern oder Verwandten abgeholt worden, als ich sah, dass einer der Beamten im Wartesaal in meine Richtung zeigte.
    Als Mrs Rix auf mich zukam, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Sie war einfach wunderschön.
    Sie war eine große, schlanke Frau mit großen braunen Augen und dicken blonden Haaren, die sie in großen Wellen zu einer Hochsteckfrisur gekämmt hatte. Sie kam mir wie ein Filmstar aus Hollywood vor – ganz anders, als ich mir eine Pfarrerswitwe vorgestellt hatte.
    Ich streckte die Hand aus, hoffte aber, dass sie sie übersehen und mich stattdessen in die Arme nehmen würde.
    Doch sie ergriff meine Hand, beäugte mich von oben bis unten und schenkte mir dann ein schmallippiges Lächeln.
    »Du bist sehr groß für dein Alter, nicht wahr, Marion?«, sagte sie nur und rückte die pinkfarbene Schleife an ihrer Bluse gerade.
    Ich hatte das Gefühl, von ihr getestet worden zu sein – und den Test nicht bestanden zu haben.
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, doch sie redete zum Glück gleich weiter: »Komm, Marion, sonst verpassen wir unseren Zug.« Und ohne ein weiteres Wort ging sie zielstrebig zum benachbarten Bahnsteig.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als mit meinem Koffer hinter ihr her zu stolpern.
    Ich denke noch heute manchmal an den Tag zurück, als ich mit meinen elf Jahren in der Liverpool Street ankam, fern meiner Eltern, meiner Freundinnen, meiner Heimat und meines alten Lebens.
    Wie vollkommen anders wäre alles gewesen, wenn diese Geschichte heute stattfinden würde! Dann hätte ich gleich nach der Ankunft mit dem Handy meine Eltern angerufen oder ihnen eine SMS oder eine E-Mail geschickt. Oder wir hätten über Skype miteinander geredet, sobald ich in meinem neuen Heim in England angekommen war.
    Aber diese technischen Errungenschaften lagen damals noch in weiter Ferne, in einer fernen, noch undenkbaren Zukunft.
    Selbst reiche Engländer konnten damals noch nicht ohne Weiteres von ihrem Haus aus Ferngespräche führen, sodass ich nur eine Möglichkeit hatte, um mit meinen Eltern im fernen Berlin zu kommunizieren, nämlich per Brief.
    Und es gab keine Garantie, dass sie meine Briefe jemals erhalten würden.
    »Du schreibst an

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