Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport
sondern eher wie eine Katze aus.
»Es ist nicht so, dass ich etwas gegen die Deutschen hätte, Marion«, sagte sie. »Ich bewundere sie sogar. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich nicht den langweiligen Geschäftsmann Gerald Beard geheiratet, sondern General Kesselring, einen großartigen und mächtigen deutschen Luftwaffenoffizier.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber das machte nichts, da Mrs Beard gleich weiterredete.
»Es ist schade, Marion, dass du keine reinrassige Deutsche bist. Ich mag eigentlich keine Juden, weißt du«, fuhr sie fort.
»Aber, Mrs Beard, Sie haben doch gewusst …«, begann ich.
Abwehrend hielt sie eine Hand hoch, um mir zu verstehen zu geben, dass die Unterredung für sie zu Ende war.
»Allerdings habe ich vorher gar keine Juden gekannt, du bist die Erste, und du kommst mir bis jetzt nicht wie die übrigen Juden vor.«
Noch bevor ich etwas dazu sagen konnte, rauschte sie hoheitsvoll aus dem Zimmer, und ihr langer schwarzer Ledermantel, den sie sogar jetzt im Sommer trägt, wehte hinter ihr her.
Iris und Carole sind genau wie Elizabeth Rix. Sie haben bisher kaum mit mir geredet, abgesehen von »Hallo«, als wir uns zum ersten Mal sahen; und morgens sagen sie höchstens so etwas wie »Schreckliches Wetter, nicht wahr?«.
Einmal haben sie gefragt, in welche Schule ich gehe, und als ich es ihnen sagte, verzogen beide das Gesicht.
»Die Cambridge and County High School für Mädchen? Wir gehen ins Perse«, sagte eine von ihnen (ich kann sie kaum auseinanderhalten, beide Schwestern sind groß und dünn, haben hellblaue Augen, eine sehr blasse Haut und lange, glatte blonde Haare). »Wir geben uns nicht mit Mädchen von der County High ab.«
Das war alles gewesen.
Aber ich habe ja Margaret als Freundin. Und nächste Woche kommt Lotte mit ihrer Mutter für einen Tag nach Cambridge und ich durfte sie zum Tee in mein neues Heim einladen.
Liebes Tagebuch,
vor zwei Tagen ist Lotte zum Tee zu mir gekommen, aber ich war sehr enttäuscht, weil Mrs Beard nicht sehr höflich zu ihr war.
Strahlend traf Lotte früh ein. Sie trug ein rotes Kostüm und hatte für Mrs Beard einen großen Strauß weißer Rosen mitgebracht. Diese hat sie von Kopf bis Fuß beäugt und gesagt: »Interessant, eine weitere Jüdin kennenzulernen.«
Mrs Beard ließ uns nicht ins Wohnzimmer gehen, wo sie mit ihren Gästen immer sitzt, sondern schickte uns ins Frühstückszimmer. Dann hat sie schnell eine dicke Wachstuchdecke auf den Tisch gelegt.
Wir durften auch nicht ihr schönes Limoges-Teeservice benutzen. Stattdessen brachte sie uns zwei große Becher dünnen Tee und zwei kalte Rosinenbrötchen mit einem winzigen Klecks Butter darauf. Ich habe mich richtig geschämt vor Lotte.
Doch Lotte hat es nichts ausgemacht.
»Die dumme Kuh«, hat sie über Mrs Beard gesagt. »Ich glaube, Greta hat mehr im Kopf als sie!«
Als Lotte am Abend wieder nach London zurückfuhr, war ich richtig traurig, dass sie so weit weg wohnt.
Aber es wird noch schlimmer: Sie hat mir erzählt, dass sie und ihre Eltern nach Schottland ziehen, und das bedeutet, dass wir uns in Zukunft vermutlich gar nicht mehr sehen können.
Aber wir haben versprochen, uns zu schreiben und uns zu besuchen, wenn es möglich ist.
Ich weiß, dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, aber ich habe inzwischen gelernt, aus allem das Beste zu machen, und das gilt auch für diese Situation.
Als Lotte am Abend wieder gegangen war, rief Mrs Beard mich in ihr Arbeitszimmer.
»Marion«, begann sie, »wie ich vom Flüchtlingskomitee hörte, willst du das Abitur machen und später studieren.« Sie musterte mich von Kopf bis Fuß und fuhr dann fort: »Nun, ich weiß, dass ihr Juden alle sehr intelligent seid, aber du darfst nicht vergessen, dass du derzeit keinen Penny hast. Und wenn meine Mädchen arm wären und in einem fremden Land lebten, würde ich von ihnen erwarten, dass sie arbeiten und nicht studieren.«
»Oh, ich arbeite gern, Auntie«, habe ich geantwortet. »Ich habe mich doch freiwillig an den Wochenenden für den Dienst im Krankenhaus gemeldet, und Mr Beard hat gesagt, dass ich nächstes Jahr in den Sommerferien beim Obstpflücken helfen darf, für die Marmelade, die er in seiner Fabrik herstellt.«
»Du hast mich missverstanden, Marion«, sagte Mrs Beard frostig. »Aber du wirst es bald einsehen.«
Damit ging sie hinaus.
Ich frage mich, was sie wohl gemeint hat.
Das sollte ich bald erfahren. Und zwar drei Tage später, als ich stolz und
Weitere Kostenlose Bücher