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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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erfreut, in meinem Innern aber tobte ein Sturm.
    Schmerz, Heimweh, Tränen drohten mich zu überwältigen …
    Die Adoption sollte unmittelbar nach dem Sieg, nach der
    ruhmvollen Heimkehr der Truppen ins Reich in die Wege
    geleitet werden. Ich würde meinen Adoptivvater auf seinem
    Gut wiedertreffen, wo man die notwendigen Formalitäten
    erledigen wollte.
    Mein ›zukünftiger Vater‹ unterhielt sich noch eine Weile
    herzlich mit mir. Als er mich verabschiedete, umarmte er mich
    und sagte: »Du wirst Josef von Münchow heißen. Ich werde
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    meine Frau von deiner Zustimmung in Kenntnis setzen. Sie
    wird überglücklich sein und dir bestimmt bald schreiben.«
    Ich trat an die frische Luft hinaus, noch immer ganz be-
    nommen und lautlos nach Vater und Mutter rufend.
    Mit der Zeit, so mochte es scheinen, ließ auch ich mich
    von der gespannten Erwartung des nahen und unbestreitbaren
    Sieges anstecken. Bevor ich nachts in den Schlaf fiel, versuchte
    ich mir krampfhaft dieses Gut und meine Adoptivmutter
    vorzustellen, aber ich dachte auch an meine eigene Familie.
    Würde ich sie je Wiedersehen? »Wirst du wieder Salomon Perel
    werden, oder wirst du Josef von Münchow bleiben?« fragte ich
    mich. Ich wundere mich noch heute, daß ich über all dem
    nicht verrückt geworden bin.
    Dennoch hörte ich nicht auf, darüber nachzudenken, wie
    ich eine Flucht bewerkstelligen könnte. So hoffte ich, an die
    vorderste Frontlinie zu gelangen und zu den Sowjets über-
    zulaufen. Ich wußte, daß mein Platz auf der anderen Seite
    war und ich durch diese »Fahnenflucht« die Opfer der Nazis
    würde rächen können.
    Eines Tages bot sich mir die Gelegenheit – zumindest
    glaubte ich es. Man befahl mir, mich unverzüglich zu einer
    Stellung zu begeben, die man soeben erobert hatte, um ei-
    nen von den überstürzt geflohenen Russen zurückgelassenen
    Sender abzuhören, der noch intakt war und Meldungen von
    der anderen Seite empfing. Die Deutschen erhofften sich
    Aufschluß über die feindlichen Angriffspläne, um so ihren
    ohnehin raschen Durchbruch noch zu beschleunigen. In der
    Umgebung hörte man anhaltendes Maschinengewehrfeuer.
    Die Gräben führten zufällig an die Position heran.
    Ich blickte mich verstohlen um, schätzte meinen Weg
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    ab und plante meine Flucht. Vor mir erstreckte sich offenes,
    leicht abschüssiges Gelände, auf dem am anderen Ende, in
    etwa zweihundert Metern Entfernung von mir, ein dichtes
    Birkenwäldchen stand.
    Ich wurde immer aufgeregter. Nur noch zweihundert Meter
    bis zu meiner Befreiung. Wie ich den ersten Schritt tun sollte,
    wußte ich nicht. Ich war von deutschen Soldaten umgeben,
    die mich scharf beobachteten, aber nicht, weil sie mich im
    Verdacht hatten, fliehen zu wollen, sondern weil sie fürchte-
    ten, mir könnte etwas zustoßen. Sie wiederholten mir ohne
    Unterlaß, mich nicht auf den Stahlhelm zu verlassen und
    nur nicht meinen Kopf aus dem Graben zu stecken. Rings-
    um lagen frische Gräber, die die noch warmen Leichen der
    deutschen Soldaten bedeckten. Darüber aus Birkenzweigen
    zusammengeschlagene Kreuze mit der Inschrift »Gefallen für
    Führer, Volk und Vaterland«. Wir erreichten den Sender, und
    ich wurde gebeten, den Hörer zu nehmen und das Gehörte
    zu übersetzen. Ich zögerte. Sollte ich Wort für Wort überset-
    zen oder das Gesagte entstellen, damit es keinen Informati-
    onswert hätte? Glücklicherweise war es ohnehin unmöglich,
    im unaufhörlichen Gefechtslärm ein Wort zu verstehen. Ich
    konnte zwar ein paar Wörter aufschnappen, die aber keinen
    Sinn ergaben. Eifer und Interesse vortäuschend, bat ich den
    Verbindungsmann, den Sender besser einzustel en, begriff aber
    an seinem Kopfschütteln und seinen Flüchen, daß da nichts
    zu machen war.
    Die Gruppe beschloß, mich augenblicklich zum Stützpunkt
    zurückzubringen. Meine inständigen Bitten, mich doch noch
    eine Weile hierzulassen, fruchteten nichts. Ich schützte vor,
    ich sei zum ersten Mal an der Front und wol e das Geschehen
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    noch ein wenig verfolgen. In Wahrheit plante ich, den Ein-
    bruch der Nacht abzuwarten und bei der ersten Gelegenheit
    in den Wald hinüberzukriechen. Doch sie ließen sich nicht
    erweichen und forderten mich mit Nachdruck auf, mit ihnen
    zurückzugehen. »Die Feindseligkeiten können jeden Moment
    wieder einsetzen, dann ist die Hölle los. Nur ein Dummkopf
    würde hierbleiben, wenn er nicht muß«, sagte einer lächelnd.
    Es war wirklich schwierig, ihnen zu entkommen. Ich

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