Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
Vom Netzwerk:
mit
    nach Hause zu nehmen. Wir schworen, nichts von meinem
    Geheimnis und meinem dramatischen Schicksal zu verraten.
    Einige Wochen waren vergangen, als ein furchtbares Un-
    glück geschah. Der rasche Vormarsch der Wehrmachtstruppen
    kam irgendwo in der Umgegend der Moskauer Vorstädte zum
    Stillstand. Fortan gab es hauptsächlich Stellungskämpfe. Die
    letzten Herbsttage waren gekommen.
    Die Oberste Heeresleitung entschied, daß man sich mit
    der Übergabe Leningrads – das seit Monaten belagert wurde
    – begnügen müsse, wenn man schon Moskau augenblicklich
    nicht einnehmen könne. Meine Division wurde also nach
    Norden verlegt, um an dieser Operation teilzunehmen. Un-
    terwegs kam das Gerücht auf, daß wir alle, um wieder Kraft
    zu schöpfen, Fronturlaub erhielten und nach dem Sieg nach
    63
    Frankreich versetzt würden. Man hatte die Meldung in Umlauf
    gebracht, um die Soldaten anzufeuern. Nun begannen endlose
    Diskussionen über französische Weine, die berühmte franzö-
    sische Küche und die Frauen, die nicht ihresgleichen hatten
    auf der Welt. Jeder malte sich die tollkühnsten Geschichten
    aus. Ich bedaure, damals diese unglaublichen Phantasien nicht
    aufgeschrieben zu haben. Beim Zuhören träumte auch ich von
    Frankreich und seinen Wundern, und auch ich wäre lieber
    dort gewesen. Ich verspürte nicht die geringste Lust, weiter
    an der Front zu bleiben, wo ich unablässig Gefahr lief, an
    einem Granatsplitter oder einem Irrläufer zu sterben. In der
    Uniform meiner Feinde durch eine Kugel meiner Verbünde-
    ten zu sterben! Welch groteske Tragödie! Doch was macht es
    schon für einen Unterschied, durch welche Kugel man stirbt!
    Kurz darauf erreichten wir die Wälder um Leningrad und
    begannen, uns zum Angriff zu rüsten. Man brachte »Goli-
    aths«, um die Befestigungen der Stadt zu durchbrechen. Diese
    »Goliaths«, ein neues, mysteriöses Kriegsgerät, waren winzige,
    dynamitgefüllte Spähwagen, die in die befestigten Bunker
    eindringen und dann dort explodieren sollten.
    Der Mißerfolg hätte nicht größer sein können. Sie versanken
    alle ohne Ausnahme in den tiefen Sümpfen um Leningrad.
    Zudem hatten die Russen ebenfalls etwas »erfunden«, eine
    einfache, doch sehr wirkungsvolle Maschine: den »Eisernen
    Iwan«, ein zweimotoriges gepanzertes Flugzeug, das in den
    hellen Leningrader Nächten in lautlosem Tiefflug über die
    deutschen Konvois strich und Verheerungen anrichtete. Nach-
    dem es einige Bomben abgeworfen hatte – die stets ihr Ziel
    trafen –, schoß es mit leichten Maschinengewehren aus dem
    Hinterhalt präzise weiter. Man befahl uns, aus den Fahrzeugen
    64
    zu springen und das Feuer zu eröffnen, doch es war sinnlos.
    Ich erinnere mich noch genau an diese Szenen, die sich na-
    hezu jede Nacht wiederholten, an die Schreie, das Laden der
    Gewehre und den Beschuß durch die Flugzeuge über unseren
    Köpfen. Bei solchen Zwischenfällen war mir jeder beliebige
    große Gegenstand als Schutz recht, ich duckte mich dahinter
    und beobachtete das surrealistisch anmutende Schauspiel. Doch
    trotz aller Mißerfolge und Verluste ließen sich die Deutschen
    von der Einnahme Leningrads nicht abbringen. Die Einheit
    bezog in Schlüsselburg Quartier, von wo aus man die leuchten-
    den Dächer der Stadt sehen konnte. Wieder befand ich mich
    auf einer dicht an der Front verlaufenden Linie. Überall wur-
    den verstärkte militärische Vorbereitungen getroffen. Schweres
    Geschütz wurde hinten in Stellung gebracht, während man
    die Panzer nach vorn schob und jeder sich seinen eigenen
    Graben aushub. Unteroffiziere wurden zum Kommandoposten
    beordert, um Weisungen entgegenzunehmen. Die Stunde X
    war auf den Tagesanbruch des folgenden Morgens festgesetzt
    worden. Unter den Soldaten stiegen Nervosität und Spannung:
    Alle wollten rasch siegen, am Leben bleiben und bis zu den
    versprochenen romantischen Ferien in Frankreich durchhalten.
    In der Nacht warf der »Eiserne Iwan« von Marschall Wo-
    roschilow unterzeichnete Flugblätter ab, in denen die Sowjets
    ankündigten, die Stadt bis zum letzten Überlebenden zu ver-
    teidigen. Die Feindhandlungen verliefen nicht mehr so, wie es
    sich die Deutschen gedacht hatten. Eine Stunde vor Beginn
    unseres Angriffs eröffneten die Sowjets das Feuer. Unsere
    Stellungen wurden unter massiven Mörser- und Granatbe-
    schuß genommen, was Menschenleben kostete und einen
    erheblichen Materialverlust verursachte. Wie unter Schock
    65
    verharrte ich reglos auf dem Fleck

Weitere Kostenlose Bücher