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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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Panzerjägerabteilung der Panzerdivision an
    der Spitze – näherten sich einem Gefangenen und begannen
    unverzüglich mit dem Verhör. Ich war erstaunt, wie förmlich
    und respektvoll sie ihm entgegentraten. Gemeinhin zeigten
    sie sich den Russen gegenüber hochmütig und grausam.
    Schon im ersten Stadium des Verhörs bestand an der Iden-
    tität des Mannes kein Zweifel mehr: Es handelte sich um den
    Artillerieoffizier Jakow Dschugaschwili, den Sohn Stalins. Er
    saß hier fest, während sein berühmter Vater in aller Eile die
    Verteidigung Moskaus organisierte.
    Ich konnte kaum meine Erregung verbergen. Auch die
    Gesichter der anwesenden Deutschen blieben nicht gleich-
    mütig. Die Prüfung der Papiere brachte die Bestätigung. Sie
    baten ihn um präzise Auskünfte über die Artilleriestellungen
    seiner noch kämpfenden Einheit, doch er weigerte sich und
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    machte – gemäß seinem Recht als kriegsgefangener Offizier
    – lediglich Angaben zur Person.
    Inzwischen hatte der Divisionskommandant von dem Ereig-
    nis Meldung erhalten und ordnete die sofortige Überstellung
    in das Hauptquartier an. Ich fand noch Zeit, ihm zuzulächeln
    und ihm dobrowo puti , »gute Reise«, zu wünschen. Ich habe
    ihn nie wiedergesehen.
    Der Blitzkrieg ging weiter und riß mich mit. Die Not-
    wendigkeit, unter Erwachsenen zu leben, veränderte meine
    Lebensweise gründlich. Wider Wil en hörte ich ihre gemeinen
    Reden, hörte ihre schlüpfrigen Witze, ihre Liebes- und Frau-
    engeschichten, ihre Unterhaltungen über Eroberungen und
    Sex. Nicht alles, was sie sagten, war uninteressant, zumeist
    jedoch war es hohles, vulgäres Geschwätz. Manchmal konnten
    auch sie die Sehnsucht nach ihrer Familie oder das Heimweh
    nach Deutschland nicht verbergen. Sie trösteten sich aber mit
    der Aussicht auf den Sieg, den sie lange vor Einbruch des
    schrecklichen russischen Winters erringen würden und der
    sie schnell wieder nach Hause brächte.
    Keiner hatte je einen Vorbehalt oder eine eigene Meinung
    über diesen Krieg zu äußern gewagt, in den sie al e verwickelt
    waren, und dies, obwohl die kugeldurchsiebten und granat-
    splitterzerfetzten Leichen ihrer Kameraden von Tag zu Tag
    zahlreicher wurden. Am Anfang waren es noch Einzelgräber,
    doch je näher Moskau rückte, je mehr verwandelten sich die
    Felder in Friedhöfe.
    Wie jene, die einer Gehirnwäsche unterzogen worden waren,
    wiederholten sie unablässig die gleichen Phrasen. Sie bestä-
    tigten sich gegenseitig damit, hier nach fünfundzwanzig Jah-
    ren kommunistischer Herrschaft solch primitive Verhältnisse
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    vorzufinden. Das al es war für sie ein Ausdruck von Schlamperei
    und Schwäche. Von wegen ›Paradies‹, Adolf Hitler könne man
    nur danken, der sie hierhergeführt und ihnen so die Augen
    über diese Regierungsform geöffnet hätte.
    Der »Beweis war erbracht«, daß der Führer recht hatte,
    daß es einer lenkenden Hand bedurfte und daß diese von der
    Vorsehung bezeichnete Hand nur die des deutschen Reiches
    sein konnte. Letztlich käme das ja auch den »Iwans« zugute,
    wie die deutschen Herren ihre zukünftigen Vasallen nannten.
    Doch manchmal war das tägliche Leben auch lustig. Ich
    spielte schon gut Mundharmonika und lernte ihre Lieder dazu,
    ich lernte Skat spielen und schunkeln, während mir das Bier
    die heisere Kehle hinabrann. Aber auch in den übermütigsten
    Momenten verließ mich die Angst keine Sekunde. Was würde
    geschehen, wenn sie die Wahrheit erfuhren?
    Im Bewußtsein meines schrecklichen Geheimnisses lebte
    ich also mein tragisches Doppelleben weiter. Gab es unter
    ihnen denn keinen einzigen verläßlichen Menschen, dem ich
    mich anvertrauen konnte? Ich hatte das brennende Bedürfnis,
    mich jemandem mitzuteilen. Doch ich lernte, meine Zunge zu
    hüten und meine Worte zügeln und gab dieser gefährlichen
    Versuchung nicht nach.
    Eines Tages überbrachte mir der Gefreite Gerlach den Befehl,
    zum Kompaniechef zu kommen. Er fragte mich, ob ich wisse,
    wie man vor einen Vorgesetzten tritt und grüßt. Ich antwortete,
    daß ich mich bemüht hätte, es zu lernen, und ich ihm keine
    Schande machen würde. Ich polierte meine Schuhe, klopfte
    meine staubige Uniform aus und rückte meine Mütze zurecht.
    Von widerstreitenden Gefühlen zerrissen, ging ich. Mein Herz
    schlug schneller. Hauptmann von Münchow fürchtete ich
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    sehr. Er hatte stets eine verschlossene Miene, die Vorsicht
    und Distanz gebot. Er war behängt mit Auszeichnungen, und
    mitten auf der

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