Ich war Hitlerjunge Salomon
be-
gnügte mich also damit, zu beten und auf eine günstigere
Gelegenheit zu hoffen.
Enttäuscht kehrte ich zu meiner Einheit zurück. Die Männer
interessierten sich für al e Einzelheiten der gefährlichen Mission,
deren Hauptperson ich gewesen war. Ich gab mächtig an, und
das gefiel ihnen. So stieg ich in ihrer Wertschätzung noch.
Ein typischer Vorfall macht deutlich, wie sehr sie mich
achteten: Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit ei-
nem in der Einheit ziemlich unbeliebten Soldaten, der sich
nie wusch und ständig schlecht roch. Wir wurden laut, und
irgendwann brauste er auf und beschuldigte mich, mich wie
ein Jude aufzuführen. Die Reaktion der anderen ließ nicht auf
sich warten. Sie bespritzten ihn mit Wasser, beschimpften ihn
wegen seiner Unverschämtheit und verlangten nachdrücklich,
daß er sich bei mir entschuldige. Ich war so erstaunt wie ver-
wirrt. Worin bestand »diese Schuld«, die mir wieder einmal
vor Augen führte, wie sehr meine Sicherheit, mein Leben an
einem seidenen Faden hing?
Großer Gott! Wenn sie gewußt hätten, daß dieser Schmutz-
fink recht hatte!
Im Laufe der Woche erfaßte die an der Ostfront kämp-
fenden Soldaten erste Bitterkeit. Dieser Feldzug war lang und
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mühsam. Sie hatten einen leichten Sieg erwartet und schilder-
ten genüßlich die Blitzniederlagen der Polen und Franzosen.
Geifernd rühmten sie die Vergnügen dieser ›netten‹ Kriege.
Aber die Pläne verwirklichten sich nicht wie vorgesehen. Bald
mußten sie erfahren, daß die Meldung des Armeekommandos,
die sowjetische Führung in Moskau habe abgedankt, falsch
war, und daß Stalin persönlich die Verteidigung der Stadt in
die Hand genommen hatte. Die Beton- und Stahlbefestigun-
gen, die man um Leningrad gebaut hatte, hatten ebenfalls
standgehalten, überdies erreichten uns verwirrende und wi-
dersprüchliche Nachrichten aus der Stadt. Zu allem Unglück
kündigte sich der russische Winter an. Die Soldaten hatten
Napoleons Niederlage von 1812 und die Worte Puschkins
nicht vergessen:
War es zu glauben?
Moskau niedergebrannt,
Und so den Franzosen übergeben!
Die Angst saß ihnen im Nacken, und dies um so mehr, als
das Oberkommando und die zuständigen Stellen für einen
Winterfeldzug keinerlei Vorsorge getroffen hatten.
Die Wehrmachtsverbände verlangsamten zwar ihren Vorstoß,
rückten jedoch weiter vor und zermalmten alles, was ihnen
unter die Räder kam. Ich entsinne mich, traurig mitangesehen
zu haben, wie die stahlkettenbewehrten Zugmaschinen den
reifen Weizen auf den goldenen Feldern niederwalzten. Und
entzückt beobachtete ich, wie die Halme sich wieder aufzu-
richten versuchten. Manchen gelang es, als wollten sie sagen:
»Auch wir sind nicht bereit, uns dem Eroberer zu beugen. Wir
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werden es dem Besatzer nicht leichtmachen.« Und ich auch
nicht! Mich, das jüdische Kind Salomon, werden sie nicht so
leicht unterkriegen!
Mittlerweile hatten wir in einem großen russischen Dorf
nordwestlich von Smolensk Quartier gemacht. Man beschloß,
uns drei Ruhetage zu gewähren. Die »alten Organisierer« der
Einheit hatten, Gott weiß woher, ein Schlachtschwein aufge-
trieben. Sie beschafften auch große Kochkessel, Eimer und
Zuber für das gemeinsame Bad, die Körperpflege und die
Instandhaltung der Ausrüstung. Wir waren schweiß- und
staubbedeckt. Einige Soldaten entdeckten eine verlassene
Bauernkate und verwandelten die große, mit einem riesigen
Herd ausgestattete Küche in ein Badezimmer.
Das Wasser in den Kesseln begann zu sieden, und schnell
war die Küche von Dampfschwaden und dem Gesang der
Badenden erfüllt. Man badete gemeinsam, gruppenweise.
Selbstverständlich konnte ich meiner Beschneidung wegen
am Gemeinschaftsbad nicht teilnehmen. Die furchtbaren Se-
lektionsszenen waren mir noch im Gedächtnis und werden
es immer bleiben.
Unter verschiedenen Vorwänden lehnte ich die Aufforderung,
mich dieser oder jener Badegruppe anzuschließen, ab, und
wartete geduldig, bis der letzte Mann die Küche verlassen hatte.
Versehen mit einem Handtuch, einem Stück Seife und
sauberer Unterwäsche betrat ich den Raum und verriegelte
sorgsam die Tür. Ich stellte mich in einen Zuber, das heiße
Wasser reichte mir bis an die Knie. Draußen spielte ein Soldat
Mundharmonika, und während ich badete, sang ich fröhlich
eine Melodie aus dem Bajazzo mit.
Plötzlich schrak ich zusammen. Dicht neben mir flüsterte
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jemand. Ohne daß ich noch
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