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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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be-
    gnügte mich also damit, zu beten und auf eine günstigere
    Gelegenheit zu hoffen.
    Enttäuscht kehrte ich zu meiner Einheit zurück. Die Männer
    interessierten sich für al e Einzelheiten der gefährlichen Mission,
    deren Hauptperson ich gewesen war. Ich gab mächtig an, und
    das gefiel ihnen. So stieg ich in ihrer Wertschätzung noch.
    Ein typischer Vorfall macht deutlich, wie sehr sie mich
    achteten: Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit ei-
    nem in der Einheit ziemlich unbeliebten Soldaten, der sich
    nie wusch und ständig schlecht roch. Wir wurden laut, und
    irgendwann brauste er auf und beschuldigte mich, mich wie
    ein Jude aufzuführen. Die Reaktion der anderen ließ nicht auf
    sich warten. Sie bespritzten ihn mit Wasser, beschimpften ihn
    wegen seiner Unverschämtheit und verlangten nachdrücklich,
    daß er sich bei mir entschuldige. Ich war so erstaunt wie ver-
    wirrt. Worin bestand »diese Schuld«, die mir wieder einmal
    vor Augen führte, wie sehr meine Sicherheit, mein Leben an
    einem seidenen Faden hing?
    Großer Gott! Wenn sie gewußt hätten, daß dieser Schmutz-
    fink recht hatte!
    Im Laufe der Woche erfaßte die an der Ostfront kämp-
    fenden Soldaten erste Bitterkeit. Dieser Feldzug war lang und
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    mühsam. Sie hatten einen leichten Sieg erwartet und schilder-
    ten genüßlich die Blitzniederlagen der Polen und Franzosen.
    Geifernd rühmten sie die Vergnügen dieser ›netten‹ Kriege.
    Aber die Pläne verwirklichten sich nicht wie vorgesehen. Bald
    mußten sie erfahren, daß die Meldung des Armeekommandos,
    die sowjetische Führung in Moskau habe abgedankt, falsch
    war, und daß Stalin persönlich die Verteidigung der Stadt in
    die Hand genommen hatte. Die Beton- und Stahlbefestigun-
    gen, die man um Leningrad gebaut hatte, hatten ebenfalls
    standgehalten, überdies erreichten uns verwirrende und wi-
    dersprüchliche Nachrichten aus der Stadt. Zu allem Unglück
    kündigte sich der russische Winter an. Die Soldaten hatten
    Napoleons Niederlage von 1812 und die Worte Puschkins
    nicht vergessen:
    War es zu glauben?
    Moskau niedergebrannt,
    Und so den Franzosen übergeben!
    Die Angst saß ihnen im Nacken, und dies um so mehr, als
    das Oberkommando und die zuständigen Stellen für einen
    Winterfeldzug keinerlei Vorsorge getroffen hatten.
    Die Wehrmachtsverbände verlangsamten zwar ihren Vorstoß,
    rückten jedoch weiter vor und zermalmten alles, was ihnen
    unter die Räder kam. Ich entsinne mich, traurig mitangesehen
    zu haben, wie die stahlkettenbewehrten Zugmaschinen den
    reifen Weizen auf den goldenen Feldern niederwalzten. Und
    entzückt beobachtete ich, wie die Halme sich wieder aufzu-
    richten versuchten. Manchen gelang es, als wollten sie sagen:
    »Auch wir sind nicht bereit, uns dem Eroberer zu beugen. Wir
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    werden es dem Besatzer nicht leichtmachen.« Und ich auch
    nicht! Mich, das jüdische Kind Salomon, werden sie nicht so
    leicht unterkriegen!
    Mittlerweile hatten wir in einem großen russischen Dorf
    nordwestlich von Smolensk Quartier gemacht. Man beschloß,
    uns drei Ruhetage zu gewähren. Die »alten Organisierer« der
    Einheit hatten, Gott weiß woher, ein Schlachtschwein aufge-
    trieben. Sie beschafften auch große Kochkessel, Eimer und
    Zuber für das gemeinsame Bad, die Körperpflege und die
    Instandhaltung der Ausrüstung. Wir waren schweiß- und
    staubbedeckt. Einige Soldaten entdeckten eine verlassene
    Bauernkate und verwandelten die große, mit einem riesigen
    Herd ausgestattete Küche in ein Badezimmer.
    Das Wasser in den Kesseln begann zu sieden, und schnell
    war die Küche von Dampfschwaden und dem Gesang der
    Badenden erfüllt. Man badete gemeinsam, gruppenweise.
    Selbstverständlich konnte ich meiner Beschneidung wegen
    am Gemeinschaftsbad nicht teilnehmen. Die furchtbaren Se-
    lektionsszenen waren mir noch im Gedächtnis und werden
    es immer bleiben.
    Unter verschiedenen Vorwänden lehnte ich die Aufforderung,
    mich dieser oder jener Badegruppe anzuschließen, ab, und
    wartete geduldig, bis der letzte Mann die Küche verlassen hatte.
    Versehen mit einem Handtuch, einem Stück Seife und
    sauberer Unterwäsche betrat ich den Raum und verriegelte
    sorgsam die Tür. Ich stellte mich in einen Zuber, das heiße
    Wasser reichte mir bis an die Knie. Draußen spielte ein Soldat
    Mundharmonika, und während ich badete, sang ich fröhlich
    eine Melodie aus dem Bajazzo mit.
    Plötzlich schrak ich zusammen. Dicht neben mir flüsterte
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    jemand. Ohne daß ich noch

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