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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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und kam nicht auf die Idee,
    mich in Sicherheit zu bringen. Heinz sah die Gefahr, in der
    ich schwebte. Mit einem Satz warf er sich auf mich und zog
    mich gewaltsam unter einen neben einem hohen Gebäude
    stehenden Panzer. Unter ihm lagen bereits die Panzerfahrer
    in ihren rußgeschwärzten Uniformen. Wir schoben sie ein
    wenig beiseite, um noch Platz zu finden. Die Luft war voller
    Rauch und beißendem Brandgeruch.
    Wenige Minuten später wurde Heinz zur Versorgung der
    Verwundeten gerufen. Bevor er ins Freie trat, befahl er mir,
    mich nicht von der Stelle zu rühren. Ich schaute ihm nach,
    wie er gebeugt zu den Verwundeten lief. Plötzlich ein ent-
    setzlicher Knall und ein gleißender Lichtstrahl. Ich drückte
    mein Gesicht an die Erde, bedeckte meinen Kopf mit den
    Armen. Schreie zerrissen die Luft. Ich hob den Kopf und
    sah, nicht weit von mir, Heinz auf dem Rücken liegen, das
    Gesicht blutüberströmt. Ich kroch zu ihm und nahm ihn
    in die Arme. Jemand versuchte, die tiefe Wunde an seinem
    Hals zu schließen und die Arterie zuzuhalten, aus der das
    Blut sprudelte. Vergeblich. Seine weit aufgerissenen Augen
    starrten in die meinen, und er murmelte etwas, was ich
    nicht verstehen konnte. Er verlor das Bewußtsein und starb
    in meinen Armen. Wollte er mir Adieu sagen oder sich
    für die sexuellen Belästigungen entschuldigen? Ich werde
    es niemals erfahren. Aber ich hatte ihm ja ohnehin schon
    verziehen, und bis zu meinem letzten Tag werde ich seiner
    voller Hochachtung gedenken.
    Heinz’ Tod ließ mich verwaist zurück. Von neuem fühlte
    ich mich bitter einsam. Ich hatte meinen einzigen Verbün-
    deten verloren. Mit diesem jähen Tod gingen auch Hoffnung
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    und moralischer Beistand dahin, die ich doch so dringend
    brauchte. Uns hatte ein Geheimnis verbunden, und unsere
    Beziehung war von absolutem Vertrauen geprägt gewesen. Das
    al es hatte er mit ins Grab genommen. Ich konnte Heinz’ Tod
    nicht verschmerzen. Ich hatt’ einen Kameraden …
    Viele Soldaten wurden verletzt, andere waren gefallen, und
    ein großer Teil des Materials war zerstört. Kaum eine Stunde
    nach Beginn des Angriffs wurde der Befehl »Alles zurück in
    die Fahrzeuge!« gegeben.
    Der Rückzug. Zum ersten Mal sahen sich die stolzen Er-
    oberer zum Rückzug gezwungen. Niemand legte mehr Wert
    auf äußere Erscheinung, Disziplin oder einen obersten Knopf,
    der geschlossen sein mußte. Alles rannte durcheinander, suchte
    zusammen, was an Ausrüstung liegengeblieben war und lud
    es auf.
    Dann setzte Hals über Kopf die Flucht vor den Kanonen
    ein. Ohne nachzudenken, beschloß ich, jetzt zu fliehen. Ich
    wollte warten, bis der letzte Soldat außer Sichtweite war, und
    dann gemütlich mit erhobenen Armen zu den vorrückenden
    Russen überlaufen. Das Herz schlug mir bis zum Hals an-
    gesichts der Möglichkeit, die sich mir da bot. Doch wieder
    einmal hatte es das Schicksal anders vorgesehen …
    Ich versteckte mich in einer Baracke, hoffend, daß meine
    Abwesenheit in dem al gemeinen Durcheinander nicht auffal e.
    Durch die Astlöcher in der Barackenwand beobachtete ich das
    Chaos, in dem sich der Abzug der Kolonnen vollzog. Man
    machte den Kommandowagen Hauptmann von Münchows
    zur Abfahrt fertig. Plötzlich schrie mir der Gefreite Gerlach
    zu: »Los komm, Jupp, schnell! Jetzt ist doch keine Zeit zum
    Scheißen!« Mich länger verborgen zu halten oder zu fliehen,
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    war nicht möglich, mehrere Augenpaare hatten sich mir be-
    reits zugewandt. Also ging ich hinaus und machte mich an
    meinem Hosenschlitz und an meinem Gürtel zu schaffen, als
    hätte ich soeben ein dringendes Bedürfnis verrichtet. Man
    warf mir einen Stahlhelm zu, und als ich im Wagen des
    Hauptmanns saß, hielt mir dieser meinen Leichtsinn vor und
    fügte hinzu, daß man mich streng bestraft hätte, wäre ich
    Soldat gewesen. Aber ein unmerkliches Lächeln bedeutete mir,
    diese Verwarnung nicht allzu ernst zu nehmen.
    Al meine Fluchtversuche waren bisher gescheitert. Sie waren
    überhall hinter mir her, in Peine, in Lodz, in Grodno, beim
    Aufspüren des russischen Senders und jetzt in Schlüsselburg.
    Nun gut. Ich verlor die Hoffnung trotzdem nicht …
    Leningrad wurde nicht eingenommen. Die Bürger der Stadt,
    die Soldaten und die Verteidiger verdienen unsere uneinge-
    schränkte Bewunderung.
    Unsere Einheit wurde in ein Nachbarland verlegt: nach

Estland. Dort sollten wir wieder zu Kräften kommen, sollten
    die gelichteten Reihen wieder aufgefüllt und die

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