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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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die Hotelstu-
    fen hinaufstieg oder durch eine Tür trat. Meine Begleiterin
    heftete mir gerührt ein rundes, auffallendes Abzeichen, das
    Hakenkreuz in einem goldenen Lorbeerkranz, an das Revers
    meines neuen Anzugs.
    Äußerlich sah ich aus wie einer von ihnen. Alle hatten
    mich »Heil Hitler!« grüßen sehen. Und obwohl es verwundern
    mag, muß ich gestehen, daß die Sache anfing, mir Spaß zu
    machen und zu schmeicheln.
    Heute, mit dem Abstand von rund fünfzig Jahren, bin
    ich mir im klaren darüber, daß damals ein ganz bestimmter
    Prozeß in mir in Gang gesetzt wurde. In diesem Hotel wurde
    der Keim zu meiner späteren Identifikation mit der national-
    sozialistischen Ideologie gelegt.
    Will man diesen Prozeß verstehen, muß man sich die see-
    lische Notlage vorstellen, in der ich mich befand. Ich war
    ein Einzelkämpfer in einem Meer von Hakenkreuzen, und
    dies nur, um das Todesurteil hinauszuzögern, das über mich
    gefällt worden war, weil ich Jude war. Ich wollte leben, noch
    eine Stunde, einen Monat, viel eicht ein Jahr überleben, wol te
    einfach am Leben bleiben.
    Ich mußte um jeden Preis ihrer perfekten Vernichtungs-
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    maschinerie entgehen. Aber ich hatte keine einzige Waffe zu
    meiner Verteidigung. Ich besaß lediglich ihre Uniform und
    ihre Abzeichen. Und wenn ich jetzt noch da bin und diese
    Geschichte erzählen kann, so nur, weil ich gelernt hatte, mich
    wie sie aufzuführen und ohne Zögern meine Nazirol e zu spie-
    len. Ich habe mich ganz und gar meinem Selbsterhaltungstrieb
    überlassen, der mir unablässig das richtige Verhalten eingab.
    Mein wahres »Ich« verdrängte ich nach und nach. Es konnte
    vorkommen, daß ich sogar »vergaß«, daß ich Jude war.
    Und nichts hinderte mich damals daran, die Gesellschaft
    meiner Begleiterin und die Schönheit der Berliner Sehens-
    würdigkeiten zu genießen. Ich ging sogar zum ersten Mal in
    meinem Leben in die Oper. Die Deutsche Staatsoper führte
    Richard Wagners Tannhäuser auf, was fünf Stunden dauerte.
    Die ganze Zeit über lauschte ich gebannt dieser grandiosen
    Musik. Ich war wie verzaubert von den Bühnenbildern und
    der Theateratmosphäre.
    Unterdessen hatte man mir meinen künftigen Wohnort
    mitgeteilt: ein Internat in Braunschweig. Ich hätte schreien
    mögen: »Nein! Bloß nicht dort hin!« Peine, wo ich geboren
    wurde, lag dicht bei Braunschweig. Man hätte den jüdischen
    Nachbarsjungen Sally wiedererkennen können, was fatal ge-
    wesen wäre. Deutschland war doch so groß, besaß unzählige
    Städte und Internate. Warum hatte das Schicksal gerade diese
    Stadt ausersehen? Warum machte sich das Schicksal so gna-
    denlos über mich lustig?
    Ich verbot mir diese Gedanken und setzte ein gezwun-
    genes, freudiges Lächeln auf. Als ich mich von meiner Ver-
    blüffung erholt hatte, konnte ich wieder denken, und ich
    sagte mir: »Da mein Lebensweg merkwürdig krumm verläuft,
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    führt er mich nicht geradeaus, sondern bringt mich an den
    Ausgangspunkt zurück. Vor sechs Jahren habe ich wegen der
    furchtbaren Verfolgung durch die Nazis Peine unfreiwillig
    verlassen und bin nach Osten, nach Lodz gegangen. Von
    dort aus bin ich zwei Jahre später nochmals geflohen. Dann
    eine erneute Flucht, diesmal nach Minsk. Danach gelangte
    ich unter falschem Namen bis in die Vorstädte Moskaus, in
    den Norden Leningrads und nach Tallin, und jetzt komme
    ich mit Hilfe einer Sonderdelegierten bis in die Umgebung
    meiner Heimatstadt. Als Sally bin ich gegangen, als Josef
    kehre ich wieder. Bin wirklich ich es, der wiederkehrt? Als
    Kind bin ich aufgebrochen, heute bin ich ein junger Mann
    mit einem anderen Namen, trotzdem bleibt es dasselbe Ich.
    Wie kann dies alles angehen?«
    – Jahrelang ging mir eine Frage nicht aus dem Sinn: Warum
    wurde mir die große Ehre einer eigens für mich abgestellten
    Beamtin zuteil? Die Antwort erhielt ich anläßlich meines er-
    sten Treffens mit den ehemaligen Kameraden der 12. Pom-
    merschen Panzerdivision in Heppenheim bei Frankfurt, zu
    dem »Josef Perjell, wohnhaft in Israel«, eingeladen worden
    war, und es kam Sally Perel. Das war 1987. Sie erzählten mir,
    daß die Nichte Joachim von Münchows, Henriette, Tochter
    des Leibphotographen und Kunstberaters Hitlers, Hoffmann,
    mit dem später in Nürnberg verurteilten Reichsjugendführer
    Baldur von Schirach verheiratet gewesen war.
    Diese Henriette von Schirach meldete sich bei mir, als
    sie aus den Medien von meiner Geschichte erfahren hatte.
    Sie schickte mir ihr

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