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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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ein
    Fahnenmast. Den Hof säumten zweistöckige Wohngebäude.
    Zwischen ihnen lagen ein olympiagerechtes Schwimmbad,
    Aschenbahnen, verschiedene Sportstätten für Athletik und
    Mannschaftsspiele. Ein hoher neogotischer Bau, auf dessen
    Giebel »Kraft durch Freude« zu lesen war, begrenzte den Hof.
    In diesem Bau befand sich der Speisesaal. Mehrere blonde
    Burschen überquerten den Platz, alle in schwarzen Hosen
    und braunen Hemden mit Naziabzeichen.
    Es war mir klar, daß ich in die Höhle des Löwen eindrang.
    Wenn sie – Gott bewahre! – entdeckt hätten, daß ich Jude
    war, würden sie mich gewiß wie Raubtiere in Stücke gerissen
    haben. Diese schreckliche Angst nistete sich bei mir ein, und
    ihre Folgen spüre ich noch heute.
    Man wies mich in das Büro des Bannführers Mordhorst,
    der mir in seiner ganzen Herrlichkeit, umringt von einem
    Hofstaat von Untergebenen, gegenüberstand. Er begrüßte mich
    mit einem schneidigen »Heil Hitler«. Es blieb mir nichts weiter
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    übrig, als mich zusammenzunehmen, meinen Arm schräg
    nach oben zu reißen und »Sieg Heil« zu antworten.
    Wir setzten uns, um uns durch ein Gespräch miteinander
    bekannt zu machen. Vor mir, hinter dem Bannführer, befand
    sich eine Hitlerbüste, deren Augen und Bärtchen besonders
    plastisch gestaltet waren. Photographien vom Aufmarsch der
    Jugend beim Reichsparteitag in Nürnberg zierten die Wände.
    Man stellte mir Fragen über den Verlauf der Schlachten und
    über die »ruhmvollen Siege«, bei denen ich dabeigewesen war.
    Ich staune noch immer über mein erzählerisches Talent, mit
    dem ich meine Bravourstücke zum Besten gab, ohne Stottern
    und Zögern. Meine Zuhörer waren beeindruckt und fasziniert.
    Nach meiner minutenlangen Schilderung, während der ich
    die Aufmerksamkeit aller auf mich gezogen hatte, ergriff der
    Bannführer das Wort und beschrieb mir die Einrichtung, in
    der ich soeben eingetroffen war. Meine schlimmsten Befürch-
    tungen bestätigten sich: Ich war in einer HJ-Schule gelandet,
    einer nationalsozialistischen Berufsschule, die in ihrer Art ein-
    zig war im ganzen Reich. Diese »Ritterburg der NS-Arbeit«
    verfolgte drei Hauptziele: den Führungsnachwuchs für die
    verschiedenen Parteiorganisationen heranzuziehen, eine poli-
    tische und technische Ausbildung zu gewährleisten und im
    Rahmen des Banns 468 effektive Arbeit zu leisten.
    Der Führer , erklärte man mir, lege keinen Wert auf einen
    unnützen musischen Unterricht. Er wol e die jungen Deutschen
    auf die praktischen Anforderungen des Regimes vorbereiten
    und sie abhärten.
    Ich konnte seinen Ausführungen nicht ganz folgen, ich
    bekam Bauchkrämpfe, und wieder näßten ein paar Tropfen
    meine Hose.
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    Er fuhr fort und legte dar, daß die Schüler in mehreren
    Heimen zusammengefaßt seien, die jeweils einzelnen Bereichen
    zugeordnet waren, wie Streifendienst, Marine, Flieger, Nach-
    richtenwesen, Motor-HJ. Höchst bedauerlicherweise könne
    ich nicht in die SS-Abteilung aufgenommen werden, da ich
    nicht blond sei und meine einhundertsechzig Zentimeter nicht
    der vorgeschriebenen Größe entsprächen. Der Schlußsatz des
    Bannführers beim Abschied verblüffte mich: Er meinte, daß
    wenn ich in so jugendlichem Alter bereits so tapfer an der
    Front gekämpft hätte, er völlig sicher sei, daß ich auch zu
    einem Führer und Volk ergebenen Mitglied der Hitlerjugend
    werden würde.
    Ich mußte meine ganze Kraft aufbieten, um zum obliga-
    torischen Hitlergruß den Arm zu heben. Den letzten Worten
    meiner Mutter, die mir jetzt im Ohr klangen: »Du sollst
    leben, du sollst leben!«, ist es zu verdanken, daß ich in dieser
    Sekunde nicht ohnmächtig umfiel.
    Die Hitlerjugend war der dritte Schenkel des Blutdreiecks
    SS, SA, HJ. Ich sehe ihre blutrünstigen Visagen noch vor mir,
    wenn sie sich mit ihren Dolchen, auf denen »Blut und Ehre«
    eingraviert war, über die Juden und Regimegegner hermachten.
    Und jetzt gehörte ich zu ihnen!
    Ich verließ das Büro des Bannführers, und mein direkter
    Vorgesetzter, der Heimführer Karl R., brachte mich in meine
    neue Unterkunft, das Heim Nr. 7 des Technischen Dienstes.
    Ich sagte zu meinem Begleiter, daß mir alles gut gefalle und
    ich froh sei, dies gegen die schwierigen Lebensbedingungen
    an der Front eingetauscht zu haben. Er begnügte sich damit,
    mir zu antworten, daß die Anlage in der Tat schön sei, das
    Hauptgebäude erst vor kurzem in dem vom Führer selbst
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    gewählten »neugermanischen Baustil« errichtet

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