Ich war Jack Falcone
mir an, dass er in den 1970er - Jahren in New York in den Fall Pizza Connection verwickelt gewesen war. Das war ein umfangreicher Kriminalfall, bei dem es um den Import von Heroin und um Geldwäsche gegangen war. Seinen Namen erhielt der Fall, weil die Drogen aus Sizilien in Pizzerias verteilt worden waren.
»Damals habe ich eine Menge Geld verdient«, erzählte er mir.
»Bist du nach Sizilien geflogen?«, fragte ich.
Er nickte. »Zehn, 20 Mal.«
»Ich würde gerne in die alte Welt reisen«, sagte ich so sehnsüchtig, wie ich konnte. »Ich möchte Europa sehen. Bin nie dort gewesen.«
»Wenn du willst, dann fliegen wir«, erwiderte er.
Ich strahlte ihn an. »Kennst du noch Leute dort?«, fragte ich.
Wieder nickte er. »Eine Menge.«
Ich wollte nach Sizilien fliegen, damit Vaccaro mich seinen dortigen Verbindungsleuten vorstellte. Aber wir mussten die Sache sehr vorsichtig anpacken, weil Drogenhandel in der Mafia tabu war. Und da ich als Mitglied vorgeschlagen werden sollte, musste ich so tun, als würde ich Drogen meiden. Alles Blödsinn – aber so lief das Spiel.
Innerhalb von sechs Monaten betrachtete Robert mich nicht mehr als Fremdling und potenzielle Bedrohung, sondern als Geschäftspartner. Und das nur, weil wir über Sport redeten, Wetten abschlossen und zusammen abhingen.
Eines Tages im Oktober 2004 unterrichtete mich Greg darüber, dass er Robert zu seinem Acting Capo ernannt habe. Ich fragte ihn, was das bedeute, und tat so, als sei ich bestürzt, da ich ihm Informationen entlocken wollte. Jack Falcone gehörte nicht zu seinem Kulturkreis. Ich kannte zwar die kubanische Unterwelt, nicht aber meine angeblichen italienischen Wurzeln. Darum fragte ich: »Greg, was zum Teufel ist ein Acting Capo?« Wie immer machte es Greg großen Spaß, mich weiterzubilden. Er redete gern, und ich war der ideale Schüler – ich sog alles in mich auf, was er mir beibrachte. Natürlich klärte er nicht nur mich auf, sondern das ganze FBI.
Greg erklärte mir, dass die Mafia immer mehr »agierende« oder »geschäftsführende« Capos ernannte, weil so viele Mitglieder im Knast saßen. Der Acting Capo ist derjenige, der sich der Gefahr aussetzt, nicht der eigentliche Capo, Boss oder Stellvertreter. Wenn Greg ein Problem hatte, das ihm zu brenzlig war, oder wenn er einer bestimmten Person nicht begegnen wollte, schickte er Vaccaro als seinen Vertreter hin. Dieser musste sich dann den Wanzen und den Informanten stellen. Und wenn etwas Schlimmes geschah, lag der Agierende als Erster auf dem Hackblock des Schlächters. Mit anderen Worten: Er war das Opferlamm, der Mafioso, den die Bosse entbehrlich fanden.
Als wir zu Bloomingdale’s gingen, um Petey Chops zu stellen, begleitete uns Vaccaro in seiner neuen Rolle als Acting Capo. Davon habe ich im Prolog berichtet. Jetzt möchte ich schildern, was nach dieser Konfrontation geschah. Selbst Acting Capos wie Robert haben ihre Grenzen. Da Robert ein initiiertes Mitglied des Gambino-Clans zusammengeschlagen hatte, musste Arnold Squitieri, der Boss des Clans, sich mit der Sache befassen.
Dieses Ereignis hatte zwei Nachwirkungen. Erstens hatte Petey das Recht, sich beim Boss zu beschweren, weil er als Mitglied nicht geschlagen werden durfte. Zweitens glaube ich, dass DePalma und Vaccaro an mir zu zweifeln begannen. Ich hätte mich an der Schlägerei beteiligen sollen. Aber aus irgendeinem Grund kamen sie nicht darauf zurück, und Greg erwähnte auch nie, wie oft ich seine Befehle, jemanden zu verprügeln oder umzulegen, nicht befolgt hatte. Sie versuchten nie, mich umzubringen, und Greg wollte mich anscheinend immer noch zum Mitglied machen. Litt ich an Verfolgungswahn, oder lag es an meiner Ausbildung und an meiner Erfahrung, dass ich fürchtete, aufgeflogen zu sein? Wie dem auch sei, ich überlebte – und der Fall auch.
Am nächsten Tag traf ich Greg im Pflegeheim. Er erzählte mir, Vaccaro sei beim Boss, um den Fall zu besprechen.
»Jackieboy«, knurrte er, »du verstehst das nicht. Ein Mitglied darfst du nicht anfassen. Man könnte dich dafür umlegen. Es ist nicht erlaubt.«
»Greg, wird er heil aus dieser Sache rauskommen?«, fragte ich.
»Keine Ahnung«, räumte er ein. »Wenn Petey sich beim Boss beschwert, schickt der ihn zu mir, weil ich sein Capo bin. Ich weise die Beschwerde dann sofort ab. Darum glaube ich nicht, dass etwas schiefgeht.«
»Dieser Petey Chops ist ein verdammtes Arschloch«, sagte ich, und Greg nickte weise.
An diesem Tag geschah nichts.
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