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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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Schulgong übertönt. »Na schön, dann untersuchen wir in der nächste Stunde die Frage, warum es in den Wüstenbereichen keine herkömmliche Wolkenbildung gibt. Kommt gut nach Hause!«
    Das Einräumen der Schulsachen, vermischt mit dem ohrenbetäubenden Lärm, der auf dem Boden scharrenden Stühle und dem aufgeregten Geplapper der Schüler, signalisierten das Ende des heutigen Schultages.
     
    Ralf freute sich, nach Hause zu kommen. Seine Mutter hatte Spätschicht und das bedeutete, dass ein warmes Mittagessen auf ihn wartete. In letzter Zeit hatte er immer einen Mordshunger, so dass seine Mutter nicht selten erstaunt fragte: »Junge, wo lässt du das bloß alles?«
       Beim Aufschließen seines Fahrrades sah er sofort die Bescherung: Beide Reifen waren platt und die Ventile waren zu allem Überfluss auch noch entwendet. Sofort fiel ihm das hämische Grinsen von Maik Luckner ein, dieser miesen Kreatur! Mit hochrotem Kopf und polterndem Herzen sah Ralf sich um. Kein Maik und auch keiner seiner Gangmitglieder waren zu sehen.
       Er schloss das Fahrrad zerknirscht wieder ab. Mit den platten Reifen nach Hause zu schieben, hatte er keine Lust und das wäre für die Reifen auch nicht gut. Er musste sich neue Ventile besorgen und morgen dann auch die Luftpumpe mitbringen.
       Als er beim Kiosk ankam, sah er die Maschinen von Maiks Gang dort stehen. Die drei hockten auf den Lehnen der Bänke und sahen ihm hämisch entgegen. Ralf wollte sich keine Blöße geben, deshalb wich er nicht aus. Ausgerechnet heute ging er allein, die anderen waren schon auf ihren Rädern fort. Innerlich straffte er sich und dachte an die Worte von Paul und von Lorenz: Nur keine Schwäche zeigen!
       »Na, Ralf Jensen, heute zu Fuß unterwegs?« Ralf beachtete Tim und Ata nicht, sondern sah Maik ins Gesicht, dessen Augen natürlich wieder hinter seiner Sonnenbrille verborgen waren.
       »Sehr witzig, Maik, sehr witzig!«
    Tim und Ata prusteten los. Maiks Züge blieben unbeweglich. »Wir haben noch mehr witzige Einfälle. Du weißt ja, dass du uns noch deinen Einstand schuldest. Wir haben dir jetzt einige Monate Zeit gegeben, aber nichts ist passiert. Da du anscheinend zu einfallslos bist, werde ich dir jetzt deinen Einstand diktieren. Du kannst sogar wählen! Entweder, wir tauschen unsere Handys, wollte schon immer mal so'n Sony-Ericson haben, kriegst mein Nokia dafür, dann hast du erstmal Ruhe vor uns, oder aber, du bringst von nun an, an jedem Ersten des Monats zwanzig Euro mit, pünktlich! Wir haben schließlich auch unsere Unkosten. Überleg's dir, und ich will auch das ganze Zubehör und den Originalkarton haben. Montag ist Übergabe, so oder so! Du musst zugeben, das ist wirklich fair von uns!«
       Ralf schlug das Herz nun bis zum Hals. Sein Handy hergeben? Nie im Leben! Monatlich zwanzig Euro? Kam nicht in Frage, hatte er doch insgesamt nur vierzig Euro Taschengeld!
       All seinen Mut zusammennehmend, trat er einen Schritt dichter zu Maik. Sofort rückten auch dessen Bodyguards näher. »Hör mir gut zu, Maik Luckner! Einen Scheißdreck werde ich tun! Wenn ihr euch noch einmal, ein einziges Mal nur, an meinen Sachen vergreift, werdet ihr es bereuen. Sogar sehr bereuen! Mehr sag ich nicht. Nur noch soviel: In meiner alten Schule hat das auch mal jemand mit mir versucht, genau das Gleiche wie ihr jetzt! Wisst ihr, was mit dem passiert ist?«
       Das Grinsen verschwand aus den Gesichtern von Tim und Ata. Verblüfft starrten sie ihn an.
       »Na, Großmaul, was ist dem denn passiert?«, quetschte Maik hinter zusammengepressten Lippen hervor.
       »Das will ich dir sagen: Der hat statt zwei Eiern nur noch eines, reicht dir das? Du kannst aber wählen, welches du opfern möchtest, links oder rechts? Da bin ich großzügig!« Maiks Miene entgleiste, ihm fiel die Kinnlade herunter. Sekundenlang herrschte Schweigen.
       »Und jetzt macht den Weg frei, ihr Pisser!« Ralf drückte sich an Maik vorbei und ging so aufrecht wie er nur konnte. Hinter ihm war immer noch Stille. Sieben, acht, neun, automatisch zählte Ralf seine Schritte mit. Seine Härchen im Nacken sträubten sich - jederzeit musste die Retourkutsche von hinten kommen. Er fühlte sich wie beim High-Noon-Duell im Western. Zwanzig Schritte, umdrehen -  Schuss!
       Als Ralf bei zwanzig ankam, hörte er, dass die Maschinen angeworfen wurden. Er spannte alle Muskeln an, gleich würden sie zu ihm aufschließen und versuchen ihn umzufahren - oder so etwas ähnliches. Zu

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