Ich war nur kurz bei Paul
seine Mutter ihre Krankheit für beendet, stand auf, duschte sich und ihre Stimme und ihr Blick nahmen wieder den altvertrauten Ausdruck an. Zwei Tage später ging sie wieder zur Arbeit. Ralf war selig.
Er brachte ein prima Zeugnis heim und am selben Tag erfuhr auch seine Mutter von der Personalabteilung, dass sie in einem fortan unbefristeten Arbeitsverhältnis weiter beschäftigt werden würde. Ihr Chef, Dr. Brunner, hatte sich mit Nachdruck dafür eingesetzt. Niemand nahm ihr die Krankheit übel.
Zur Feier des Tages gingen sie abends beim Italiener essen. Seine Mutter löste ihr Versprechen ein; er durfte sich um die Aufnahme in einen Fußballverein bemühen. Es war ein froher Tag. Vergessen waren das traurige Weihnachtsfest und der düstere Jahresbeginn. Seine Mutter stellte erstaunt fest, dass er seinen Schuhen und Hosen schon wieder entwachsen war und seine Stimme immer seltener kickste. »Dein Stimmbruch ist bald vorüber, Ralf. Dann bist du ein richtiger, schnieker junger Mann!«, prophezeite sie ihm.
Ralf mochte das nicht glauben, er war ein Junge, kein Mann. Er wusste auch nicht, ob er sich wirklich danach sehnte ein Mann zu werden, denn er hatte keine Vorstellung davon, was das bedeuten mochte. Er freute sich vielmehr aufs Fußballspielen und auf das beginnende Frühjahr.
Eine Woche später war es dann so weit: Er hatte bei dem Fußballverein gefragt, in dem einige seiner Mitschüler spielten. Sein neuer Trainer, Christoph Burmeister, war ein harter Kerl; groß und weizenblond, mit kantigem Gesicht und breiten Schultern. Er sprühte vor Aktivität, immer wieder sah man ihn mit dem Handy am Ohr wichtige Dinge klären. Er war ein Macher, ein Haudrauf ; Ralf mochte ihn sofort. Er nahm sich spontan vor, auch einmal so zu werden wie der Christoph. Das wusste er gleich.
Nach einigen Probespielen teilte ihn Christoph der C-Mannschaft zu. Ralf war ein wenig enttäuscht darüber, das war eigentlich unter seinem Niveau. Er behielt aber Christophs Worte im Ohr: Wenn du gut bist, dann hast du alle Möglichkeiten aufzusteigen. Zuvor musst du dir jedoch bei uns erst deine Sporen verdienen. Strenge dich also an, dann wird es schon klappen -- das, mit dem Aufstieg in die nächst höhere Mannschaft!
Er würde Christoph schon beweisen, was für ein guter Fußballspieler er war.
Zwei Wochen vor seinem Geburtstag, dem ersten Mai, erweiterte Ralf seine Wunschliste um weitere zwei Positionen: Fußballschuhe und Stutzen. Das Vereins-Trikot gab es gottlob ohne Kostenbeteiligung. Zweimal die Woche wurde trainiert, immer dienstags und donnerstags von siebzehn bis neunzehn Uhr. Christoph legte Wert auf Fitness. Er ließ die Jungen schwitzen und sich abrackern. Manchmal kam es Ralf so vor, als sei er in einem Leichtathletikverein statt in einem Fußballclub. »Erst die Kondition, dann die Technik. Nur so wird ein Schuh daraus, Männer!« So nannte er die Jungen immer: Männer!
Ralf fühlte sich dabei sehr stolz. Seine Kameraden waren prima; sie erkannten sein spielerisches Können sofort an und lobten ihn.
Kapitel 8
Diese sechste Stunde wollte heute einfach kein Ende nehmen, immer wieder schielte Ralf auf die Zeiger seiner Armbanduhr.
Auf der großen Landkarte erläuterte Frau Karre die Entstehung der Wüstenzonen und deren unterschiedliche Beschaffenheit. Es war gähnend langweilig. Regine war mit Feuereifer bei der Sache und schien jedes Wort der Erdkundelehrerin mitzuschreiben. Neidvoll sah Ralf immer wieder zu ihrem Heft, das so ordentlich aussah, als sei es gedruckt.
Er hatte sich nach der letzten Vier im Zeugnis ernsthaft ermahnt, mit mehr Eifer an dieses Fach heranzugehen, aber es fiel ihm ungeheuer schwer und so schweiften seine Gedanken immer wieder ab. Zu allem Überfluss war ihm vor der Erdkundestunde Maik auf dem Schulflur begegnet. Der hatte kein Wort zu ihm gesagt, sondern nur böse gegrinst - auf eine merkwürdige Art und Weise - als führe er etwas im Schilde.
Ralf versuchte sich mit dem tröstenden Gedanken zu beruhigen, dass er sich wohl unnötig Sorgen mache, denn immerhin war seit Monaten nichts passiert.
»Generell solltet ihr euch merken, dass der Hauptentstehungsgrund aller Wüsten, das Nicht-Vorhandensein einer Wolkendecke...«, ihre Worte wurden vom
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