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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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besorgniserregend, aber auch nicht in Ordnung. Er verbot ihr aufzustehen und Essen zu kochen, brachte stattdessen auf dem Heimweg von der Schule Lebensmittel aus dem Supermarkt mit und schälte Kartoffeln, briet Fleisch und putzte Gemüse. Vor dem Kochen studierte er die Rezepte aus dem abgegriffenen, alten Kochbuch, wog ab, schmeckte ab, probierte aus. Seine Mutter quittierte seine Mühen mit traurigem Blick und stummem Kopfnicken.
       Ralf blieb beim Essen an ihrem Bett sitzen und drängte darauf, dass sie alles aufaß. Danach wusch er ab, machte seine Hausaufgaben, konnte aber nichts dagegen tun, dass der Kummer in seinem Herzen mehr und mehr die Oberhand gewann. Er hatte Angst, eine ganz unerklärliche Angst davor, wie alles werden würde. Als er am fünften Tag durch den Spalt der angelehnten Schlafzimmertür nach seiner Mutter sah, bemerkte er, wie sie, der Tür den Rücken zukehrend, mit zuckenden Schultern still vor sich hinweinte.
       Leise drückte er die Tür auf, setzte sich zu ihr auf das Bett und streichelte sanft ihren Rücken. »Mama, was ist mit dir?« Er bekam keine Antwort, nur die zuckenden Schultern bebten noch heftiger und ein greinender Laut des Schmerzes kam über ihre Lippen. Er ging Ralf durch und durch. »Mama, sag doch was - kann ich dir helfen? Was ist mir dir? Hast du Schmerzen?« Als sie immer noch nicht antwortete, streifte Ralf die Schuhe ab und legte sich neben seine Mutter auf das Bett, nahm sie von hinten in die Arme und drückte sie, so fest er konnte.
       Er begann auch zu weinen, still, sie sollte es nicht bemerken. »Mama, hör doch bitte auf zu weinen. Ich bin doch bei dir. Ich pass doch auf dich auf! Du brauchst keine Angst zu haben. Wir schaffen das schon! Es ist doch gar nicht so schlecht hier in Lübeck. Wir haben eine schöne Wohnung, wir haben neue Bekannte und Freunde gefunden, du hast deine Arbeit in der Klinik und mein Zeugnis wird nächste Woche auch gut, bestimmt! Du musst wieder gesund werden, Mama. Ich brauch dich doch!«
       Das Zucken der Schultern hörte auf, ganz stumm lag sie jetzt vor ihm. Auf seine letzten Worte hin, hatte ihr Daumen ganz langsam angefangen, seinen Handrücken zu streicheln, mit kreisenden, leichten Bewegungen - nicht fest, aber wohltuend. Jetzt drehte sie sich um, ihr Gesicht war ganz verheult und voller Runzeln, die er zuvor noch nie bei ihr bemerkt hatte. »Ach Junge, ich weiß nicht, was mit mir los ist. Plötzlich kommt mir alles so sinnlos vor, ich funktioniere nur noch, lebe aber nicht mehr. Es tut mir auch so leid für dich, das, mit deinem Vater und dass alles kaputt ist. Was mache ich bloß immer falsch? Ich bin zu nichts nutze, mache nichts richtig! Im Augenblick fühle ich so gut wie keine Kraft mehr in mir.« Wieder begannen die Tränen zu fließen, als sie sein Gesicht in ihre Hände nahm und es sanft zu streicheln begann.
       »Mama, das stimmt doch gar nicht, du machst nichts kaputt. Du bist prima, niemand in meiner Klasse hat so eine tolle Mutter wie ich!«
       »Wirklich? Meinst du das ehrlich?« Es war das erste Mal, dass Ralf wieder ein zaghaftes Lächeln in ihrem Gesicht sah, und er beeilte sich hinzuzufügen: »Ganz ehrlich - Papa hat doch an allem Schuld! Hätte er sich nicht die Barbara genommen, wär`s doch gar nicht erst so weit gekommen. Die kann man wirklich nicht mit dir vergleichen. Sie ist bei weitem nicht so schön wie du, und kochen kann sie auch nicht - und überhaupt, die kann gar nichts! Unseren Garten würdest du nicht wieder- erkennen -- sie macht nichts darin! Sie und Papa sind an allem Schuld! Das hat doch nichts mit dir zu tun!«
       »Du findest mich schön? Sieh mich doch nur an. Ich bin eine alte Frau!«
       »Nein, Mama. Du bist nicht alt, du bist schön! Für mich bist du von allen die Schönste, ehrlich!« Ralf bemerkte, wie sich ihr Körper zu straffen begann und fester wurde. Ihr Blick veränderte sich, in ihre Augen stahl sich wieder ein wenig Glanz und Ralf fühlte, dass er das Richtige gesagt hatte. Seine Mutter griff zu den Papiertaschentüchern, die auf dem Nachtschrank lagen und wischte sich das Gesicht trocken. Danach blieb sie aufgerichtet im Bett sitzen und sagte: »Komm, mein Spatz! Komm ganz dicht her zu mir! Sie nahm ihn, umschlang ihn mit beiden Armen und Ralf registrierte wohlig ihre Wärme, ihre Nähe und den vertrauten Duft ihres Körpers.
        Eng umschlungen blieben sie eine ganze Weile, ohne etwas zu sagen, nebeneinander im Bett sitzen. Danach erklärte

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