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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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großen Tafel-Geo-Dreieck und dem Zirkel ziemlich hilflos da und Regine, seine Tischnachbarin, musste ihm zur Seite springen. Sie nahm ihm bedeutsam lächelnd die Kreide und den Zirkel aus der Hand und fällte schweigsam, mit sehr konzentrierten Bewegungen, das Lot auf die Basis des gleichschenkligen Dreiecks... 
       In der folgenden Pause, als sie alle in lockeren Grüppchen auf dem Schulhof standen, achtete Ralf besonders auf die Mädchengruppe, in der Lea Büchner stand. Doch sie schien keinerlei Reaktion zu zeigen. Vielleicht wurde er ja auch getäuscht, und jemand trieb seinen Schabernack mit ihm.
    Er nahm sich vor, keinen seiner Freunde einzuweihen - er hatte Angst, sich lächerlich zu machen. Julius riss ihn aus seinen Gedanken mit dem Vorschlag, heute Nachmittag eine Runde counter-strike bei ihm am PC zu spielen. Ralf hatte keine Lust dazu, und statt Julius zu überreden, lieber mit ihm Kanu zu fahren, beschloss er, heute ganz allein auf Paddel-Tour zu gehen um nachzudenken.
     
    Für den Sonntagmorgen hatte er eine Einladung von Lorenz bekommen, mit ihm und seinem Vater auf Steinsuche an die Hohwachter Bucht zu fahren. Sein Vater war leidenschaftlicher Sammler fossiler Versteinerungen und hatte bei sich zuhause, in den Vitrinen eine Sammlung, die jedem Museum zur Ehre gereicht hätte. Ralf war neugierig, hatte er doch selber noch nie einen versteinerten Abdruck eines prähistorischen Seesterns oder Krebses gefunden.
       Da sie früh am Hohwachter Strand sein wollten, beschlossen sie, sich in aller Frühe um halb sechs zu treffen. Ralfs Mutter hatte am Sonntag Frühschicht und nahm ihn auf dem Weg zum Dienst mit.
       Die Glückstetters wohnten zirka drei Kilometer entfernt in einer Einfamilienhaussiedlung. Als sie vor dem Haus eintrafen und Ralf sich abenteuerlustig von seiner Mutter verabschiedete, rief sie ihm nach: »Halt! Vergiss deine Tasche nicht!« Ralf kehrte um und nahm die am Vortag gepackte Strandtasche aus dem Kofferraum. Damit ging er auf das Haus zu. Lorenz öffnete, bevor er klingeln konnte. »Psst! Meine Mutter schläft noch und mein kleiner Bruder auch. Komm, wir laden schon mal ein! Mein Vater kommt auch gleich.«
       Im Flur standen zwei Taschen, die sie ergriffen. Leise zog Lorenz die Tür hinter ihnen zu, damit sie nicht zuknallte. Er hatte die Schlüssel für den silbernen Geländewagen in der Hand, zweimal quittierten die Blinkerleuchten, als er die Türen damit öffnete. Sie hievten die Taschen in den Laderaum. Lorenz hangelte den Fensterwischer unter dem Fahrersitz hervor und befreite die Scheiben vom morgendlichen Beschlag. Da kam auch schon sein Vater hinzu. »Moin, Ralf! Schön, dass du Lust hast, mitzukommen! Dann steigt schon mal ein, ich öffne nur schnell das Gartentor.«
       Die Fahrt an die Hohwachter Bucht dauerte eine knappe Stunde. Als sie ankamen, lag eine träge Ostsee mattsilbern vor ihnen. Der Strandabschnitt, an dem sie parkten, war mit Geröll übersät. Lorenz Vater schulterte entschlossen seinen Rucksack und setzte seinen Schlapphut auf. So sah er aus, wie man sich Geologen in der Wüste vorstellte. Es war ein cooler Anblick. Lorenz tat es seinem Vater nach und setzte auch einen Schlapphut auf. Sie entnahmen noch dem Kofferraum mehrere Werkzeugsets, die aus je einem kleinen und einem größeren Hammer, einem Pinsel und Vergrößerungsglas bestanden. Ralf bekam auch einen Hammer in die Hand gedrückt und dann konnte es losgehen.
       Langsam, mit gesenkten Köpfen, bewegte sich die kleine Gruppe über das Geröllfeld. Lorenz Vater zeigte ihnen, auf welche Steinformen sie besonders achten sollten und nahm zur Demonstration einen Stein in die Hand, drehte ihn mit gekonnten Bewegungen auf verschiedene Seiten und schlug dann einmal beherzt auf eine Seite des Steins. Er zerfiel in zwei Hälften und an der Bruchstelle zeichnete sich ein sehr kleiner, unregelmäßiger Abdruck ab. »Das hier ist zum Beispiel ein versteinertes Stück Holz.« Ralf staunte. Er nahm auch einen ähnlich aussehenden Stein in die Hand, besah ihn von allen Seiten und schlug mit dem Hammer drauf. Er zerfiel nicht. Er schlug wieder. Nichts!
       Lorenz Vater lachte. »Nein, nein, das wird so nichts! Das ist normaler Feldspat, schau hier, auf solche Formen musst du achten! Aber auch die enthalten häufig keine Versteinerungen.« Sie gingen weiter mit gesenkten Köpfen, griffen hier zu einem Brocken, verwarfen ihn wieder, versuchten es erneut mit einem anderen.
       Lorenz Vater war ein

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