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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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aufgegriffen. Ihre Mutter freute sich, mit den Kindern am Samstagvormittag gemeinsam durch die Innenstadt zu bummeln und für Nadine fiel dabei ein schwarzer Tommy Hilfiger- Kapuzennicki ab. Ralf wollte nichts haben.
       Nachmittags fuhren sie zum Baden, das heißt, Ralf war der einzige, der ins sechzehn Grad kalte Wasser stieg. Abends gingen sie dann gutgelaunt beim Italiener essen, und am Sonntagmorgen holte Ralf für alle Brötchen.
      Sie frühstückten lange und gemütlich auf dem Balkon. Nadine teilte ihnen mit, dass sie nur einen mäßigen Realschulabschluss erwartete, die Noten waren jedoch noch nicht bekannt gegeben worden. Barbara hatte sich dafür eingesetzt hatte, dass sie an einer Berufs-Aufbauschule ein weiteres Jahr absolvieren konnte. Alle zehn Bewerbungen auf eine Lehrstelle, die sie abgeschickt hatte, waren ohne Ergebnis geblieben.
       Nadine gestand auch ein, dass es für sie nach dem Auszug von Mutter und Bruder schwierig gewesen sei. Zwar käme sie mit Barbara und Lucie zurecht, aber ein Familienleben sei es nicht mehr. Auch sei ihr Vater häufig komisch, und nicht selten gab es auch zwischen ihm und Barbara Auseinandersetzungen. Als Nadine davon anfing, winkte ihre Mutter allerdings unwirsch ab. Sie wollte davon nichts hören; das ginge sie nichts mehr an . Ihr sei nur wichtig, dass Nadine ihren Weg ginge und dass sie ja nun fast erwachsen sei und selber wissen müsse, was sie tue.
       An diesem Punkt des Gesprächs entstand eine unangenehme Stille und sofort baute sich eine Spannung auf. Man konnte es förmlich knistern hören. Ralf merkte es sofort. Nadine wurde plötzlich verschlossen und in sich gekehrt, und ihre Mutter versuchte, die Situation mit fahrigem Tischabräumen zu überspielen. Ralf versuchte zu retten, was zu retten war und schlug vor, das schöne Wetter noch zu nutzen, um mit den Fahrrädern eine kleine Tour zu unternehmen. Sie hatten schon zwei Tage zuvor Frau Hoffmann gefragt, ob sie sich für Nadine deren Fahrrad leihen dürften. Die alte Dame hatte sofort zugestimmt.
       So fuhren sie zu dritt ein wenig über die Dörfer, am Flughafen Blankensee vorbei und landeten schließlich an einer Badestelle des Ratzeburger Sees. Die leichte Missstimmung zwischen Nadine und ihrer Mutter war wieder gewichen und auf dem Rückweg machten sie noch einmal an einer Eisdiele halt und genossen einen kühlen Eisbecher mit Schlagsahne, ausgenommen Nadine, die sagte, Sahne mache dick. Sie bestellte sich dafür drei Kugeln Fruchteis, der Linie wegen.
       Abends brachten sie Nadine schließlich zum Bahnhof und ein lange nicht mehr erlebtes Familienwochenende ging zu Ende. Nachdem der Zug aus dem Bahnhof gerollt war, wurde Ralfs Mutter bedrückt und schwieg.
     Mehrmals sah Ralf sie von der Seite an und glaubte dabei, in ihren Augen leichte Tränenfeuchte zu entdecken. Er schwieg ebenfalls und bemerkte, wie auch ihn eine seltsame Wehmut ergriff. Komisch, eigentlich ging ihm seine Schwester sonst immer auf die Nerven, aber dieses Mal war es echt besser gelaufen.
       Als sie zu Haus ankamen und aus dem Twingo stiegen, verkündete er, dass er noch einmal schnell zu Paul wolle! Seine Mutter nickte nur gedankenverloren.
     
     
    ***
     
    In der kommenden Schulwoche, es waren nur noch vier Wochen bis zu den Großen Ferien, fand Ralf nach dem Physikunterricht, unter seiner Schulbank einen herzförmig ausgeschnittenen Notizzettel. Mit Tinte war in sehr exakt geschwungenen Linien ein einziger Satz darauf geschrieben:
     
    " Ralf, Lea findet dich toll!"
     
    Er las den Satz immer wieder und war wie vom Donner gerührt. Er merkte dabei, dass er rot wurde. Was war denn das? Verstohlen schaute er sich um, ob ihm an den Gesichtern seiner Mitschüler etwas auffiel, doch niemand schien in diesem Augenblick auf ihn zu achten. Niemand? Er meinte aus den Augenwinkeln gesehen zu haben, wie Lea, die ihm schräg gegenüber saß, auf der anderen Seite der U-förmig aufgestellten Tische, schnell den Kopf senkte, als er in ihre Richtung blickte.
       Ralfs Herz schlug schneller. Lea? Die hatte er schon immer toll gefunden, doch die Mädchen aus der Klasse hatten zumeist für die eigenen Klassenkameraden keinen Blick übrig. Ständig scharwenzelten sie lieber um die Älteren aus der Neunten und Zehnten herum.
       Ralf konnte sich während der folgenden Mathestunde bei Herrn Broderkamp nicht konzentrieren, und als ihn dieser an die Schultafel bat, um ein geometrisches Problem zu lösen, da stand er mit dem

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