Ich war nur kurz bei Paul
Begeisterung, die Julius für dieses Fach empfand, so gar nicht auf Ralf über. Geduldig wiederholte Julius ein ums andere Mal bestimmte Sachzusammenhänge, immer wieder aber ging Ralfs Aufmerksamkeit beim Zuhören verloren. Endlich platzte Julius der Kragen und er schmiss das aufgeklappte Erdkundebuch auf den Tisch. »Mann, du gehst mir auf den Geist! Kannst du mir mal sagen, warum du nie richtig zuhörst, wenn ich dir etwas erkläre? Da kommt man sich ja blöd vor!«
Ralf riss sich zusammen und schaute seinen Freund an. »Ich kann mir diesen Scheiß einfach nicht merken. Geht nicht rein in meinen Kopf, tut mir Leid, Julius! Können wir das bitte noch einmal durchgehen? Du fragst, ich antworte. Ich pass jetzt wirklich auf!«
»Na, schön, ein letztes Mal! Ich hab nachher noch Wichtigeres zu tun, als meine Zeit mit jemand zu verplempern, der nicht hinhört.«
»Wieso? Was hast du denn noch Wichtiges vor?«
»Du lenkst schon wieder ab! Wenn du jetzt richtig mitmachst, verrate ich es dir, aber erst hinterher!« Ralf fügte sich, und die nächste halbe Stunde war er tatsächlich bei der Sache und konnte auch einige Fortschritte machen. Sein Nachhilfelehrer war schließlich zufrieden, klappte das Buch zu und brummte: »Dass man dir immer erst drohen muss! Aber jetzt komm mit in den Keller. Ich will dir was zeigen!«
Die beiden Jungen flitzten die Treppe zum Keller hinunter in Julius Labor, dort hatte er eine kleine Experimentierecke eingerichtet. Seine Leidenschaft dafür begann schon vor zwei Jahren, als ihm seine Eltern zu Weihnachten einen Chemiebaukasten schenkten. Seitdem kniete er sich mit Feuereifer in diese Materie hinein, obwohl sie das Fach erst in der neunten Klasse bekämen. Neben der Chemie als Hobby, war Julius auch noch ein leidenschaftlicher PC-Freak. Beides zusammen ergab für dessen Experimentierlust ein schier unerschöpfliches Betätigungsfeld. Julius Vater, von Beruf Chemiker, arbeitete in einem namhaften Medizin-Labor, welches der Uniklinik angegliedert war. Er freute sich über die Ambitionen seines Sohnes und unterstützte ihn auf jede erdenkliche Art und Weise. Ralf war beeindruckt. Julius schaltete mit dem Licht auch die Entlüftungsanlage mit ein - wegen der möglicherweise entstehenden Dämpfe.
»Komm, ich will dir einmal meine neueste Versuchs-Anordnung zeigen!« Ralf trat neugierig näher. An der Wand hingen allerlei Glaskolben, Petrischalen, Reagenzgläser, Messbecher, Pipetten und was ein Chemiker sonst noch so alles benötigte. Im Regal standen einige Geräte, die Ralf aus dem Physikunterricht kannte: Stative, elektrische Messgeräte und Mikroskope. Auf dem Labortisch hatte Julius schon einen Trafo mit einem Amperemeter verkabelt. An einem Stativ hingen, über einer leeren Petrischale, zwei Krokodilklemmen, an denen Büroklammern eingespannt waren.
»Schau her! Ich will dir einmal etwas vorführen!« Julius nahm mit geübtem Griff die Flasche mit der Silbernitratlösung zur Hand. »AgNO3«, dozierte er, »davon geben wir 50 Milliliter in die Petrischale. Die Büroklammern dienen uns als Elektroden. Die Anode tauchen wir richtig ein und die Kathode berührt nur leicht die Oberfläche der Lösung, wegen der Oberflächen-Spannung! Jetzt legen wir 20 Volt Gleichspannung an und können am Amperemeter die Stromstärke während der Elektrolyse messen.« Julius schaltete an dem schwarzen Knebelgriff den Trafo ein, der summend seinen Dienst aufnahm. »Jetzt geben wir drei Tropfen Ammoniak mit der Pipette hinzu. Eins, zwei, drei, fertig!« Der Zeiger des Amperemeters zuckte unregelmäßig und stabilisierte sich dann bei 1,2 Ampere.
»Und wozu das Ganze?«
»Beobachte einmal unsere Kathode, also die eingetauchte Büroklammer, genauer!« Julius trat zur Seite und wies auf die eingetauchte Klammer. Ralf ging jetzt ganz dicht heran und konnte sehen, wie an der Klammer kleine Tannennadeln heraus wuchsen. Es sah aus wie ein winziges Farnblatt, das da langsam Gestalt annahm. »Was ist das?«
»Silber! Das ist Ag , also Silber! An der gegenüberliegenden Anode siehst du jetzt die kleinen Luftbläschen des abgelösten Sauerstoffanteils aufsteigen.«
»Ist ja irre! Und warum machen sich dann die Leute die Mühe, Silber-Erze aus dem Boden zu gewinnen oder richtiges Silber in Bergwerken zu finden, wenn man es so einfach selber herstellen kann?«
Julius schmunzelte über die Frage. »Der Weltbedarf an Silber liegt bei ungefähr 30.000 Tonnen
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