Ich war nur kurz bei Paul
nach Hause, dann suchen wir noch einmal gemeinsam, okay!«
»Is' gut, mein Junge. Jetzt aber los! Ich will Tore sehen!«
Ralf schaffte es auf die letzte Minute. Christoph war stocksauer und ließ ihn das auch nachdrücklich wissen.
»Spinnst du, oder was? Wir machen hier letzte Strategiebesprechung und du bist plötzlich verschwunden! Ich glaub ja wohl, es trümmert! «
Das gab Ralfs angeschlagener Gemütslage den Rest. Entsprechend lief das Spiel für ihn - ausgerechnet dieses Spiel! Sie mussten heute mit mindestens einem Tor Vorsprung gewinnen, wenn sie nicht absteigen wollten. Die ungewohnte Spielposition im Mittelfeld und seine desolate Gefühlslage taten ein Übriges. Nach der ersten Halbzeit stand es 1:0 für den Gegner. Wie die begossenen Pudel marschierten sie in die Pause.
Die zweite Halbzeit lief noch schlechter. Chance um Chance verpatzten sie, während der Gegner sich immer besser organisierte und dann der Ball fast nur noch in der eigenen Hälfte gespielt wurde.
Ralf hatte es kommen sehen: In der 76. Minute fingen sie sich das zweite Tor ein. Christoph wechselte ihn aus, für ihn kam Asuf ins Spiel. Ralf zog seine Trainingsjacke über und nahm auf der Ersatz-Bank Platz. Er fühlte sich gedemütigt. So schlecht hatte er lange nicht mehr gespielt. In der Neunundachtzigsten Minute konnte Asuf tatsächlich den Torabstand auf 2:1 verringern, aber dabei blieb es dann auch.
Christoph war maßlos enttäuscht mit der Leistung der Mannschaft und vor allem auch mit Ralfs bescheidenem Spiel. »Mann, was war bloß los mit dir, heute? So kenne ich dich gar nicht! Ist was passiert?« Ralf hatte nur den Kopf geschüttelt und war davon geschlichen. Nur weg von hier! Er musste schließlich Karlchen suchen.
Auf dem verwilderten Baugrundstück neben Pauls Toreinfahrt fand er keine Spur. Er schaute hinter jedes Gestrüpp, suchte nach Erdlöchern, in die Karl gefallen oder gekrochen sein könnte - nichts! Dann fuhr er mit dem Fahrrad die umliegenden Straßen ab, hielt andere Hundehalter an, fragte, ob sie vielleicht Karlchen gesehen hätten. Eine ältere Dame mit einem Langhaar-Dackel gab ihm den Tipp, es doch einmal mit Plakaten zu versuchen, die er an die Bäume pinnen konnte. Das hätte bei ihr auch schon einmal geholfen. Der Finder hatte sich daraufhin telefonisch bei ihr gemeldet, und so kam Trude wohlbehalten zu ihr zurück. Außerdem solle er bei der Polizeistation im Stadtteil und beim Tierheim nachfragen.
Diese Ratschläge gaben ihm neuen Mut. Genau das würde er tun! Er wollte Paul noch um ein Foto von Karlchen bitten, dann würde er sich noch heute Abend daranmachen, Suchzettel mit einem Bild von Karlchen zu drucken. Als er bei Paul in die Wohnung kam, war sofort die ungewohnte Leere zu spüren: Kein aufgeregtes Karlchen, dass mit dem Schwänzchen einen Trommelwirbel klopfte, kein freudiges Um-Ihn-Herum-Springen - es war bedrückend.
Auch Paul sah mitgenommen aus. Unter seinen Augen traten die Tränensäcke deutlicher hervor als sonst. Er hatte sich an den großen Tisch gesetzt und trommelte mit den Fingern ein rastloses Stakkato auf die Tischplatte.
»Hast du auch noch einmal alles abgesucht, Ralf?«
»Ja, alles! Das ganze Gelände hab ich auf den Kopf gestellt -- nichts! Ich bin dann die Straßen abgefahren und habe andere Hundebesitzer gefragt, ob sie etwas gesehen hätten. Haben sie nicht, aber eine Dame sagte mir, dass ihr entlaufener Dackel damals über ein Fahndungsplakat gefunden und wohlbehalten zurückgebracht wurde. Das sollten wir auch machen! Was meinst du?«
»Fahndungsplakat? Wie stellst du dir das vor?«
»Na, du gibst mir ein Foto vom Karlchen und ich setze mich nachher an meinen Computer und drucke hundert DIN-A4-Plakate aus, hänge sie an die Bäume und lege sie in den Geschäften aus. Na, was ist?« Ralf sprühte vor Eifer.
»Ein Foto habe ich nicht. Das hatte ich ja meinem alten Freund Manfred auf dem Sterbebett versprechen müssen, dass ich nicht mehr fotografieren werde. Aber warte einmal: Ich hab mal ein kleines Bildchen von ihm gemalt.« Paul stand auf und durchsuchte einen mit kleinen Bildern gefüllten Schuhkarton. Hier, das ist das Karlchen, wie er leibt und lebt... wenn er noch lebt.« Pauls Blick wurde noch eine Spur trauriger.
Ralf nahm das postkartengroße Bild in die Hand und war verblüfft: Es sah aus wie ein Foto - ganz realistisch! Aber dann, beim zweiten Blick, sah man doch, dass
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