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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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dieser Nacht. Immer wieder guckte er auf das Display seines eingeschalteten Handys, ob jemand wegen Karlchen angerufen oder gesimst hatte. Aber das war natürlich Unsinn, mitten in der Nacht! Schließlich schlief er doch irgendwann ein. Durch seine wirren Träume geisterte immer wieder Karlchen mit traurigem Blick.
       Am nächsten Vormittag, während der Großen Pause, geschah es: Ralf trug, trotz des Verbots der Schule, das Handy eingeschaltet in seiner Hosentasche. Es war auf Vibrationsalarm eingestellt. Es vibrierte!
       Ralf erstarrte. In seiner Nähe stand die Pausenaufsicht, Frau Clasen. Ausgerechnet jetzt sah sie in seine Richtung, so dass er es nicht wagen konnte, heimlich zu telefonieren.
       Das Vibrieren hörte auf. Es gab nur eine Möglichkeit; er musste auf der Toilette nachschauen, wer angerufen hatte. Rasch ging er zurück zum Schulgebäude, wo im Hauptflur der WC-Bereich lag. Erst in der abgeschlossenen Kabine traute er sich, auf das Display zu schauen. Er hatte eine Kurznachricht erhalten. Deshalb also hatte es nur zweimal vibriert!
    Mit zitternden Fingern machte er die SMS auf. Plötzlich schlug ihm das Herz bis zum Hals.
     
    GIBT ES FINDERLOHN, ALTER?
     
    Absender: unbekannt
     
    Trieb da jemand seinen Schabernack? Ralf überlegte nicht lange und tippte mit geübten Griffen zurück:
     
    WOHER WEISS ICH, DASS KARLCHEN BEI IHNEN IST?
     
    Als hätte der Absender lauernd darauf gewartet, kam innerhalb einer Minute Antwort. Der Schulgong verkündete gerade das Ende der Unterrichtspause. Sie haben eine MMS stand da; also eine Bildbotschaft:
     
    Auf dem farbigen Display rollte sich ein Abbild von Karlchen aus. Die aufgerissenen schwarzen Augen schienen Ralf direkt anzustarren. Man sah nur sein Köpfchen, welches augenscheinlich durch ein hineingerissenes Loch aus der Titelseite der gestrigen Ausgabe der BILD-Zeitung lugte. Dadurch war keinerlei sonstiger Hintergrund erkennbar.
       Ralf schnürte es die Kehle zu. Karlchen war in den Händen eines Kidnappers! Dieses Schwein! Er musste sofort zu Paul, aber wie? Er hatte noch vier Stunden Unterricht vor sich. Was sollte er bloß tun? Sich krank melden? Dann würde ihm unweigerlich eine Begleitung zugeteilt werden oder seine Muter benachrichtigt. Sich unerlaubt aus der Schule entfernen? Er konnte sich lebhaft ausmalen, was dann geschehen würde. Nein! Das ginge auf gar keinen Fall! Blieb nur ein Ausweg: Er musste zu Herrn Burgmann gehen und sich ihm anvertrauen.
       Entschlossen straffte sich Ralf, verließ den Sanitär-Bereich und ging Richtung Schulverwaltung. Auf dem Flur kam ihm Herr Burgmann in Begleitung einer, Ralf unbekannten, Frau entgegen. Mist, verfluchter!
       »Herr Burgmann?« In der Aufregung hatte seine Stimme einen krächzenden Klang angenommen. Der Schulleiter blieb mit seiner Begleitung stehen. »Ja, Ralf?«
        »Ich muss Sie dringend sofort sprechen, bitte!« Herr Burgmann zog überrascht eine Braue hoch. »Hat das nicht Zeit bis zur nächsten Pause?«
       »Es ist wirklich ein echter Notfall, Herr Burgmann!«
    Der Direktor wandte sich an seine Begleitung. »Es scheint wirklich ein dringendes Problem vorzuliegen, Frau Detting, sonst hätte der junge Mann mir eine Stunde Aufschub gewährt. Aber wir waren ja auch soweit durch, oder?«
       »Ja, sicher und vielen Dank, dass Sie sich für unser Projekt einsetzen wollen. Wiedersehen!« Sie reichten sich die Hand, dann schritt sie energisch davon. »Na, Ralf, dann komm mit! Gehen wir in mein Büro.«
       Interessiert betrachtete Herr Burgmann das Hundefoto im Handy-Display. »Das ist ja kriminell! Wir sollten die Polizei rufen!«
       »Bitte nicht, Herr Burgmann! Dann bringt er das Karlchen bestimmt um. Ich muss jetzt dringend zu meinem Opa und ihm helfen. Ich wollte Sie fragen, ob Sie mir ausnahmsweise freigeben könnten?«
       Herr Burgmann legte seine Stirn in krause Falten und schien zu überlegen. »Hm, die Schule hat natürlich normalerweise Vorrang. Aber jetzt, kurz vor der Zeugniskonferenz und wo alle Arbeiten geschrieben sind, denke ich, können wir einmal eine Ausnahme machen. Sag mir, wo dein Opa wohnt und gib mir deine Handy-Nummer - zur Sicherheit!« Ralf fiel ein Stein vom Herzen und schnell notierte er Pauls Anschrift und die Telefonnummer auf den Zettel, den ihm Herr Burgmann herüberreichte. »Ich rufe dich heute Nachmittag an, um zu hören, wie es um die Sache steht, und morgen gibst du mir als erstes einen ausführlichen Bericht ab.«
      

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