Ich war nur kurz bei Paul
geträumt. Nun müsse er kleine Brötchen backen.
Paul nickte verstehend und mitfühlend. »Dabei hab doch ich an allem Schuld! Ich hätt' dir das einfach nicht vor dem Spiel sagen dürfen - das mit Karlchens Verschwinden. Ist doch klar, dass man sich dann nicht auf das Spiel konzentrieren kann. Hast du das dem Trainer nicht gesagt?«
»Nein, das ist doch blöd! Das hört sich doch an, als suche man Ausflüchte. Vergeigt ist vergeigt!«
»Na, nach den Ferien ist ein neuer Anfang. Dann wirst du wieder richtig zeigen, was du drauf hast. Da bin ich ganz sicher!«
»Das hoffe ich wirklich sehr, Paul! Ich würde so gern im nächsten Jahr in der ersten Mannschaft spielen, zusammen mit Lorenz.«
Anschließend erzählte Ralf vom geplanten Dänemark-Urlaub mit seinem Vater, Nadine, Barbara und Lucie und von den übrigen Ferienvorhaben, zusammen mit seiner Mutter.
»Dann werden wir uns ja lange Zeit nicht zu Gesicht bekommen. Du wirst uns fehlen oder, Karl?« Es folgte ein kurzer Trommelwirbel und der kleine Hund fiepte seufzend. Ralf stand auf und kniete sich bei ihm nieder. Sofort warf sich Karlchen auf den Rücken und wand sich wie eine Schlange, während Ralf ihm den Bauch kraulte. »Und du passt auch gut auf dich auf, hörst du? Ihr werdet mir auch fehlen, aber wenn ich aus Schleswig von der Oma Jess zurück bin, dann besuche ich euch, und wir machen eine Kanufahrt, einverstanden?«
»Das werden wir machen, Junge. Lässt du dich noch einmal vor den Ferien bei uns blicken und berichtest uns, wie dein Zeugnis ausgefallen ist?«
»Na klar! Bis zu den Ferien sind es doch noch fast zwei Wochen!«
***
Ralf fühlte sich frei und glücklich. Gerade ließen sie den Nord-Ostsee-Kanal hinter sich, und die ständig plappernde Lucie neben ihm, war endlich eingenickt. Er hörte nur noch die zu laute Musik aus ihren MP3-Kopfhörern an seine Ohren dringen. Er nahm ihr vorsichtig die Hörer ab, bemüht, möglichst unbeweglich sitzen zu bleiben, damit ihr Kopf nicht von seinem Oberarm glitt und sie womöglich wieder aufwachte.
Das monotone Summen des schweren Audis machte ihn zwar auch schläfrig, aber er war einfach zu aufgekratzt, um jetzt, am späten Vormittag, schon wieder schlafen zu können. Nadine schmökerte in einer ihrer Zeitschriften, und sein Vater und Barbara hatten bisher nur wenig zur allgemeinen Unterhaltung beigetragen.
Die schleswig-holsteinische Landschaft mit ihren schwarzweiß gefleckten Kühen, unterbrochen von den rechtwinklig angeordneten Knickwällen, die die Wiesen und Äcker umsäumten, flitzte an ihnen vorüber. Waren es bis zum Kanal noch überwiegend Getreidefelder, die die Straßenränder säumten, so mehrten sich weiter droben im Norden die Kuhweiden. Riesige Herden fraßen sich gemächlich voran. Eine unsichtbare Kraft schien die Tiere alle in dieselbe Richtung auszurichten. Wie das wohl zustande kam? Vielleicht durch die Kraftlinien des Erdmagnetfeldes? Vögel sollten sich ja auch daran orientieren.
Wirklich schnell kamen sie nicht voran, denn sie waren nicht die einzigen Urlauber, die heute nach Dänemark unterwegs waren. Es wimmelte von Autos mit großem Gepäck, Anhängern und Fahrradhalterungen. Sechs Wochen Sommerferien lagen vor ihm. Sie erschienen ihm wie eine kleine Ewigkeit. Seine Mutter hatte ihn fröhlich verabschiedet, ihm auch noch ein bisschen Geld zugesteckt, als Belohnung für das gute Zeugnis. Es war wirklich überraschend gut ausgefallen: Keine Vier, nur eine Drei (in Erdkunde) und ansonsten Zweien, in Sport, Englisch und Informatik sogar eine Eins! Das war bei ihm noch nie da gewesen: Eine Eins im Zeugnis - jetzt sogar auf Anhieb drei!
Seine Mutter war fassungslos, als er ihr das Zeugnis mit stolzgeschwellter Brust übergab. Paul hatte ihm anerkennend auf die Schultern geklopft und sich herzlich mit ihm gefreut. »Sollst mal sehen«, hatte er gesagt, »das mit dem Fußballverein, kommt auch wieder ins Lot.«
Außerdem hatte ihm Paul beim Abschied noch einmal ins Gewissen geredet und ihm sehr eindringlich geraten, seinem Vater und auch Nadine während dieses gemeinsamen Urlaubs eine Chance auf Annäherung zu geben. »Jeder Junge braucht einen Vater, auch wenn er ihm manchmal ablehnend gegenüber steht. Wenn er nicht mit dir redet, dann rede du mit ihm. Lass ihn an deinem Leben teilhaben, zeig ihm, dass du dich freust, von ihm mit in den Dänemarkurlaub genommen zu werden. Glaub mir, Junge, auch wenn du das jetzt
Weitere Kostenlose Bücher