Ich war nur kurz bei Paul
garantiert die Burschen, die als erstes motorisiert sind. War bei uns damals jedenfalls so. Das ist ein uraltes Gesetz. Mädels wollen Status und Schotter! Haste was -- biste was! Aber es gibt doch bestimmt eine, die dir aus deiner Klasse gefallen würde, oder? Heraus damit! Wie heißt sie?«
Ralf wurde verlegen, dachte an Lea Büchner, wollte das Thema mit seinem Vater jedoch nicht weiter vertiefen. »Nö, sagte ich doch. Wie du schon sagst, Mädels kosten Geld. Ich hab gerade soviel, dass ich auskomme. Da sind Mädels noch nicht drin.« Er versuchte cool zu klingen, sich dem Ton seines Vaters anzupassen.
Der lachte nur und meinte: »Das Geld liegt auf der Straße, man muss es nur aufheben. Wer will, kann überall und jederzeit Geld verdienen. Trage Zeitungen oder Brötchen aus oder etwas in der Art! Arbeit adelt! Hat auch noch niemandem geschadet. Schau mich an; glaubst du, das kommt alles von allein: Der Q7, nagelneu, der Tennisverein, das Haus, Klamotten, dieser Urlaub? Was meinst du, wenn ich mich nicht täglich abrackern würde, was dann wäre? Man muss sich regen, nur so kommt Segen!« Ralf merkte, wie ihm die bekannten Sprüche seines Vaters auf die Nerven gingen und zog das Lauftempo an.
Das Laufen durch den weichen Sand erforderte viel Kraft in Füßen und Gelenken. Es war ungewohnt, aber bestimmt ein hervorragendes Training. Sein Vater zog mit und war gleich wieder neben ihm. »Ja, ich weiß, davon willst du nicht gerne etwas hören. Aber glaub mir, Junge, das ist das Gesetz des Lebens. Mach etwas aus dir, streng' dich an, dann kommt auch die Kohle und damit der Wohlstand und die Frauen zu dir. Was macht deine Mutter eigentlich so?«
»Arbeiten, Schichtdienst in der Klinik.«
»Ja, das tut ihr auch einmal ganz gut, zu sehen, wie das ist, wenn man jeden Tag das Geld heranschaffen muss. Hatte es ja früher nicht nötig, arbeiten zu gehen. Jetzt muss sie!«
»Sie hat immer gearbeitet, auch in Silberstedt, nur du hast das ja nie bemerkt! Du bist so gemein!« Ralf hatte es heraus geschrieen; beschleunigte noch mehr, wollte das Gequatsche seines Alten einfach hinter sich lassen; aber der war schon wieder heran und lachte verächtlich.
»Na, na, du bist doch wohl kein Muttersöhnchen geworden? Nun krieg dich wieder ein, hab's ja nicht so gemeint!« Muttersöhnchen , hatte das nicht auch Lorenz bei ihrem ersten Zusammentreffen am Travemünder Strand zu ihm gesagt? Er war kein Muttersöhnchen, verdammt noch mal! Aber auf seine Mutter ließ er nichts kommen, schon gar nicht solche saublöden Sprüche von seinem Alten. Der versuchte seine Hand versöhnlich in den Nacken seines Sohnes zu legen, doch Ralf schüttelte sie ab. »Lass mich!«
Lange liefen sie, ohne etwas zu sagen, nebeneinander her. Das regelmäßige Keuchen ihrer Atemzüge bestimmte den Rhythmus. Endlich kam das Ende der Runde, nämlich der Einkaufsmarkt am Eingang der Feriensiedlung in Sicht. Diesmal näherten sie sich vom anderen Ende des Weges, weil sie einen Rundparcours gelaufen waren. Das letzte Stück gingen sie wieder - wegen der Steine.
Der Oberkörper seines Vaters war jetzt schweißnass. Ralf schwitzte nicht. Er registrierte es mit Wohlwollen. Er würde seinem Vater schon zeigen, dass der mit der Jugend nicht mehr mithalten konnte. Morgen würde er ein noch schärferes Tempo vorlegen! Mal sehen, was der Alte dann sagen würde? Hoffentlich fehlte ihm dann die Luft für seine blöden Sprüche!
Barbara und die Mädchen saßen schon wartend am Frühstückstisch und nahmen die große Brötchentüte kreischend in Empfang. »Siehst du?« Sein Vater sah ihn mit seinem Blendax-Lächeln triumphierend an und deutete durch ein Kopfnicken auf die pralle Frühstückstüte, auf die sich alle stürzten und die Beute aufteilten. »Sag ich doch!«
Ralf verstand genau, was sein Erzeuger meinte und empfand ihn schon wieder eine Spur unsympathischer. »Ihr sprecht in Rätseln?« Barbara waren der kurze Spruch und das Kopfnicken nicht entgangen. »Was war? Worüber habt ihr gerade gesprochen?«
»Über das Leben, Babsi! Nur über das Leben!«
Er lümmelte sich in den Korbsessel an das Kopfende des Tisches. »Willst du dich nicht erst frisch machen und umziehen?«
»Nee, lieber nicht! Danach ist nichts mehr nach vom Frühstück; ihr fresst mir ja die Haare vom Kopf!«
Ralf ging duschen.
Als er fertig war, saß nur noch Nadine am Tisch und feilte sich hingebungsvoll ihre
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