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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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katholischen Internat unterrichtet. Immer zwei Mädchen teilten sich ein Zimmer. Was meinen Sie, wie streng es da zuging? Ich denke nicht gern an jene Zeit zurück, Herr Schmitt. Da haben es die jungen Leute heutzutage sehr viel besser. Wer möchte noch blinden Gehorsam und Disziplin, wie im Gefängnis? Mit Freiheit muss man beizeiten umzugehen lernen.«
       »Wohl gesprochen, Frau Luckner. Freiheit, ein wahrhaft erhabenes Wort! Freiheit muss man beizeiten lernen, da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Die beste Vorbereitung darauf, ist nach meinem Dafürhalten jedoch nicht Grenzenlosigkeit, sondern im Gegenteil: Das Setzen von Grenzen. Sehen Sie, ich bin Maler. Bevor ich ohne Form zu malen lernte, musste ich zuerst die Gesetze der Formen studieren. Jeder Bildhauer kann Formen erst  durch äußere Schnitte und Kerbungen, sprich Grenzen erschaffen, die dann später so scheinen, als hätten sie keine wirklich feste Form, würden stattdessen fließen, grenzenlos sein. Um etwas in Form zu bringen, braucht es äußere Begrenzung. Das klingt vielleicht altmodisch, aber ich halte die Erziehungslehre der Antiautoritären Erziehung, wie sie in Summerhill geprägt wurde, nur in Teilen für anwendbar und Ziel führend. Ohne Begrenzung, ohne das Einfordern bestimmter Normen, kann die Freiheit nicht dazu taugen, die erhofften Früchte hervorzubringen. Freiheit endet immer da, wo die Freiheit eines anderen beginnt. Das sind beobachtbare Tatsachen, die heute leider vielfach keine Beachtung mehr finden.«
        »Nun ja, Sie sehen, kaum fängt man mit dem Theoretisieren an, findet man sich sogleich in Grundsatzdiskussionen wieder. Um auf den Grund meines Besuches zurückzukommen, Herr Schmitt: Sehen Sie mit der Zahlung der fünfhundert Euro Ihren immateriellen Schaden als ausgeglichen an?«
       »Weiß Ihr Sohn, dass Sie hier sind?«
       »Nein, der ist zurzeit bei Bekannten in London«
       »Wird er Ihnen das Geld ersetzen müssen, wenn er wieder nach Hause kommt?« Sie räusperte sich nervös.
       »Ersetzen - wovon? Er ist noch Schüler. Bis er einmal eigenes Geld verdient, vergeht noch viel Zeit. Wo denken Sie hin?«
       »Wissen Sie, Frau Luckner, ich lebe schon sehr lange in diesem Viertel und kenne viele Leute. Manche behaupten, ich sei einer der bestinformierten Anwohner hier. Mir sind so manche Dinge und Umstände Ihres Sohnes bekannt, von denen ich vermute, dass Sie davon nicht die leiseste Ahnung haben.«
       »Was meinen Sie mit Ihren Andeutungen, Herr Schmitt? Was weiß ich nicht?«
       »Sehen Sie, ich möchte Ihnen wirklich nicht zu nahe treten. Aber ich nehme doch an, dass Sie, als Mutter, ein Interesse daran haben, zu erfahren, was ihr Sohn so treibt; mit wem er verkehrt, was man so über ihn spricht, oder gehe ich fehl in dieser Annahme?«
       »Nein, natürlich interessiert mich das. Sprechen Sie!«
       »Nun ja, ich weiß, dass er auf dem Käthe-Kollwitz-Gymnasium gefürchtet war. Er trieb sich mit zwei Gesellen herum, die Angst und Schrecken unter den Mitschülern verbreiteten. Sie heißen Tim und Ata. Ich nehme an, dass Sie diese Burschen kennen?«
       »Nein, die kenne ich nicht. Wissen Sie, er bringt keine Freunde mit nach Hause.«
       »Falls doch, würden Sie das dann bemerken? Als Geschäftsfrau sind Sie doch sicherlich die meiste Zeit im Geschäft oder in Ihrer Funktion als Galeristin auf Reisen, nicht wahr?«
       »Das schon, aber Michaela, unsere Hausgehilfin, hat ein Auge auf ihn und meldet mir, wenn es Bedarf gibt.«
       »Das ist aber doch sicherlich nicht dieselbe mütterliche Fürsorge und Aufsicht, als wenn Sie die Dinge selbst unter Beobachtung hätten, oder?«
       »Zur eigentlichen Sache, was wissen Sie? Ata und diesen, wie hieß er?«
       »Tim«
       »Ja, richtig, diesen Tim, kenne ich in der Tat nicht. Was sollen die denn gemeinsam anstellen?«
       »Es geht die Rede davon, dass sie ihre Mitschüler erpressen, Abziehen , wie man im Jargon sagt. Mal ist es ein modernes Handy, mal ein Organizer, ein Palm oder schlichtweg Markenbekleidungstücke. Die werden den Schülern unter massiver Bedrohung abgenommen und anschließend verscherbelt, also zu Geld gemacht. Andere werden zu monatlichen Schutzgeldzahlungen erpresst, sonst drohen ihnen Schläge. Ihr Sohn treibt sich oft im Spielsalon herum. Eines seiner Mädchen soll rauschgiftsüchtig sein. Er verkehrt deshalb mit ortsbekannten Dealern. Haben Sie das alles wirklich nicht gewusst, Frau Luckner?« Ihre Miene

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