Ich war nur kurz bei Paul
ich Ihnen den Mantel abnehmen?«
»Das wäre ganz reizend!« Paul hing das leichte Textil an den Garderobenhaken, sah die Besucherin jetzt von hinten. Sie trug ein elegantes Kostüm aus feinem Zwirn, das erkannte er als ehemaliger Modefotograf sofort. Könnte ARMANI oder JIL SANDER sein. Nein, wohl doch eher ARMANI.
»Mögen Sie auf dem Stuhl Platz nehmen?« Die Besucherin ließ ihren Blick unverhohlen schweifen, sah jetzt, dass sie sich in einem Maleratelier befand. »Oh, Sie malen, Herr Schmitt?«
»Nun ja, das ist meine Profession - seit vielen Jahren.«
»Wie interessant, wie außerordentlich interessant! Ich bin nämlich Galeristin, müssen Sie wissen. Bilder sind auch meine Profession. Bitte verzeihen Sie meine Neugier, Herr Schmitt, aber wenn ich Bilder sehe, muss ich sie anschauen - ich kann gar nicht anders. Würden Sie mir erlauben, einmal einen Blick darauf zu werfen?«
»Aber bitte sehr!« Sie schritt stumm die Galerie der aufgehängten Bilder ab. Sie malen mit ganz verschiedenen Techniken, nicht wahr?« Sie erwartete keine Antwort. Paul folgte ihr stumm, mit auf dem Rücken zusammengelegten Händen. Die Augenmotive interessierten sie besonders. Wiederholt blieb ihr Blick bewundernd auf ihnen ruhen. »Die sind wundervoll! Diese Ausdruckskraft! Man sieht nicht die Oberfläche des Bildes, sondern man wird, wie magisch, in das Bild hineingezogen und ist unmittelbar mit der darin eingefangenen Seelenstimmung konfrontiert. Diese Augen drücken Gefühl aus - einmalig! So etwas habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen - und ich habe schon viele Bilder gesehen. Vielleicht können wir einmal ins Geschäft kommen? Ich beschicke gerade eine Kunst-Ausstellung in London. Dieses Thema könnte hervorragend mit hinein passen. Nun, was sagen Sie dazu?«
»Hm, vielleicht, Frau Luckner. Ich kann mich jetzt nicht auf dieses Thema einstimmen, zu überrascht bin ich, hier die leibhaftige Mutter von Maik vor mir zu haben. Ich schlage deshalb vor, dass wir zunächst das Thema Maik abhandeln. Das wäre mir, offen gestanden, das Liebste.«
»Nun ja - vielleicht ist später noch Zeit, um vom Geschäftlichen zu reden. Richtig, Maik, mein Sohn, unser Sohn«, verbesserte sie sich, »hat eine Riesen-Dummheit gemacht, wie mir scheint.« Als Paul nichts darauf erwiderte, fuhr sie fort. »Ich bin hier, um Sie erstens um Entschuldigung zu bitten und um Ihnen das, nun ja, wir müssen es wohl Lösegeld nennen, zurückzugeben.« Sie öffnete ihre schmale Mappe und entnahm zwei neutrale Kuverts. Gespannt setzte er sich nun ihr gegenüber an den Küchentisch. »Ist es richtig, dass die Jungen Ihnen dreihundert Euro abgepresst haben?«
»Ja, stimmt genau! Dreihundert Euro.« Sie nickte, nahm das erste Kuvert und blätterte die Summe in Fünfzigern auf den Tisch. »Herr Schmitt, es tut meinem Mann und mir außerordentlich leid, was Ihnen und Ihrem Hund passiert ist. Hier ist die Summe, die wir Ihnen wiedergeben möchten. Darüber hinaus hatten Sie durch den Bubenstreich eine Menge Ärger, Sorge und Kummer. Wir möchten uns erkenntlich zeigen und Ihnen für die entstandene Pein einen finanziellen Ausgleich anbieten. Wir dachten da an fünfhundert Euro. Wäre das für Sie in Ordnung?«
»Nun ja, sehr geehrte Frau Luckner, Sie sehen mich überrascht - überrumpelt! Damit habe ich natürlich nicht gerechnet. Es ehrt Sie, dass Sie gekommen sind, um sich für Ihren Sohn zu entschuldigen und um mir mein Geld zurückzugeben.« Ein feines Lächeln umspielte ihre Züge und Paul fragte sich gerade, welche Absichten sie wohl mit der Geldzahlung verbände. »Mögen Sie einen Tee? Ich habe frischen Earl Grey gebrüht?«
»Nein, danke! Das ist sehr nett, aber ich trinke nur Kaffee, viel zu viel und viel zu stark. Aber wenn Sie ein Glas Wasser für mich hätten?« Paul stand auf. Während er das Gewünschte holte, fragte er sich wiederholt, welche berechnende Absicht wohl hinter diesem Besuche stehen mochte?
War es wirklich aufrichtiges Bedauern oder versuchte sie gerade, ihn zu kaufen? Er entschloss sich, der Dame auf den Zahn zu fühlen. »Ja, die Bubenstreiche! Die jungen Leute leben heute in ganz anderen Zeiten und Umständen als ich es aus meiner Jugend kenne. Wie war das bei Ihnen? Haben Sie in ihrer Jugendzeit Narreteien ausgeheckt, Blödsinn gemacht, den Nachbarn oder Lehrern Streiche gespielt?«
»Nein. Entschieden nein! Das haben wir uns nicht getraut. Ich wurde in einem
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