Ich war nur kurz bei Paul
»Der wohnt am Krähenteich. Komm, wir fahren einfach hin und fragen ihn! Ich sag nur eben deiner Mutter Bescheid.«
Im Nu kehrte Frank zurück, ließ Käthes Motor aufheulen und zehn Minuten später standen sie vor einer prächtigen Villa am Lübecker Krähenteich.
Sie klingelten am vergitterten Tor, der gut zwei Meter hohen Steinmauer, die das Anwesen umgab. Aus der Sprechanlage erklang die Stimme einer Frau: »Hier bei Familie Luckner, was wünschen Sie?« Also war es nicht Frau Luckner, sondern eine Angestellte.
»Dr. Frank Heise von der Uni-Klinik. Ich hätte gerne Herrn Senator Luckner gesprochen.«
»Sind Sie angemeldet?«
»Nein, leider nicht. Es geht um eine dringende Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet. Sagen Sie dem Senator bitte, es geht um seine Frau, die zurzeit auf Geschäftsreise ist.«
Ein paar Sekunden lang schwieg die Sprechanlage, dann bat die nun nicht mehr so selbstsichere Stimme der Haus-Angestellten: »Warten Sie bitte einen Moment! Ich frage den Senator.«
Das Videoauge glühte mattbläulich, und sie überkam beide das Gefühl, beobachtet zu werden. Aber immerhin; der Senator war jedenfalls zu Hause, ihr Besuch würde nicht vergeblich sein. Ralf klopfte das Herz im Halse. Er hatte sich nicht vorgestellt, dass dieser fiese Maik Luckner ein solch herrschaftliches Zuhause hatte.
Dann, nach einer kleinen Ewigkeit, schwang das Tor lautlos auf. Sie traten ein und schritten die wenigen Meter durch den Vorgarten auf die breite Eingangstreppe zu, an deren oberen Ende jetzt die Eingangstür geöffnet wurde. Der Hausherr persönlich erwartete sie.
Er trug einen dunklen Anzug mit Fliege. Kleine Augen blinzelten hinter einer strengen Hornbrille aus dem rotwangigen Gesicht. Oben angekommen empfing er sie mit den Worten: »Doktor Frank Heise, das ist aber eine Überraschung! Sie haben mir voriges Jahr die Gallensteine zertrümmert. Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Und das ist sicherlich Ihr Sohn?« Er blickte fragend auf Ralf, der rot anlief.
»Nein, nicht ganz. Er ist der Sohn meiner Freundin und heißt Ralf Jensen.«
»Ralf Jensen, aha! Aber kommen sie doch bitte herein, ich hörte, es geht um eine dringende Sache, meine Frau betreffend?«
»Ganz recht, Herr Senator.«
»Aber, ich bitte Sie! Nur keine Förmlichkeiten, Herr Doktor! Nennen Sie mich einfach beim Nachnahmen, das tun alle.«
»In Ordnung, Herr Luckner und lassen Sie bitte auch meinen Titel weg, der hilft nur manchmal beim Vorgelassen-Werden.«
Der Senator ging voran und geleitete sie zu einem prächtigen, vom Hauptflur abzweigenden Büro. Es roch nach dem geölten Holz der Wandverkleidung. Wuchtige Ölgemälde mit prächtig verzierten Goldrahmen hingen an den Wänden. Hinter dem riesigen Schreibtisch beeindruckte ein die ganze Wand beherrschendes Bücherbord die Besucher.
Der Senator wies auf die kleine Sitzgruppe. »Bitte setzen sie sich, meine Herren! Darf ich ihnen Tee anbieten, oder lieber etwas anderes?«
»Tee, danke!« Frank setzte sich. Ralf rückte neben ihn auf das gesteppte Ledersofa. Er nickte ebenfalls und Herr Luckner drückte einen Knopf an der Wand. »Michaela, würden Sie bitte für unseren Besuch zweimal Tee und Gebäck bringen - mir bitte ein Sodawasser!«
»Kommt sofort, Herr Senator!« Als hätte diese Michaela am anderen Ende der Leitung bereits auf die Bestellung gewartet, so prompt kam ihre Bestätigung. Na, jeder schien diesen wichtigen Mann denn doch nicht beim Familiennamen zu nennen. Herr Senator! Ralf kam sich vor wie in einer der Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen, die seine Mutter immer so gern im Fernsehen ansah.
Der Senator schlug ein Bein über das andere, zupfte an seiner Bügelfalte und lehnte sich dann abwartend zurück.
»Herr Heise, bitte!«, forderte er sie auf, ihr Anliegen vorzubringen. Ralf war es schon seit ihrem Eintreten aufgefallen, dass der Senator nicht besonders neugierig darauf schien zu erfahren, was mit seiner Frau geschehen sein sollte. Sorge stand jedenfalls nicht in seinem Gesicht - auch unterbrach er die Ausführungen von Frank mit keinem Wort, sondern ließ ihn die ganze Geschichte vortragen.
Sie wurden nur von Michaela unterbrochen, die höflich lächelnd, ein Tablett mit feinem Porzellanservice auf den Tisch stellte und sich dann wieder zurückzog. Ralf hatte sich Michaela aufgrund ihrer Stimme jünger vorgestellt. Die Bedienstete
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