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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly
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Aber
er konnte sie treffen, indem er sich an mir vergriff. Dadurch daß er mich
zerstörte, würde er sie zerstören...
    Ungefähr diese Gedanken müssen ihm
durch den Kopf gegangen sein. Jedenfalls haben sich die Dinge so entwickelt.
Was ich freilich nicht erkennen konnte. Ich wollte nur eins nicht: die Liebe
meines Vaters verlieren. Ich hätte durchgedreht, wenn das passiert wäre.
Deshalb ließ ich es zu, daß er mich küßte. Er küßte mich immer öfter und auf
eine Weise, die mich anekelte, so als wäre ich eine erwachsene Frau. Aber ich
dachte, na ja, das ist eben nicht zu ändern, vielleicht muß das so sein...
    Meine Mutter war nur unseretwegen bei
Papa geblieben, sie wollte ihren Kindern nicht den Vater nehmen. Und was ich
machte, lief auf dasselbe hinaus: Ich schwieg aus Angst, die Familie würde
auseinanderbrechen. Aus Angst, Laury und Sandy den Vater zu nehmen, den sie
doch genauso brauchten wie ich. Mama war nicht da. Was sollte aus uns werden,
wenn er uns auch noch allein ließ? Folglich hielt ich den Mund und wartete
darauf, daß meine Mutter wieder nach Hause kam, in der Hoffnung, Papa würde
dann aufhören, mir nachzustellen, und alles würde gut werden.
    Wenn zuviel auf einen einstürmt und
alles über einem zusammenbricht, bleibt keine Zeit, die Situation zu
analysieren. Erst später versucht man sich darüber klarzuwerden, was eigentlich
passiert ist. Im Augenblick aber sitzt man in der Falle und denkt: Vielleicht
ist das normal, vielleicht auch nicht. Meinen Vater habe ich nie danach
gefragt. Womöglich hätte er Angst bekommen, wenn ich ihn darauf angesprochen
hätte, und wer weiß, wozu er dann fähig gewesen wäre! Einmal drohte er mir:
»Wenn du irgend jemandem etwas davon erzählst, bringe ich uns beide um. Wir
werden uns ins Auto setzen und einen Unfall haben.«
    Als ich einem Freund davon erzählte,
lachte er mich aus. Er hat mir nicht geglaubt, und ich kann es ihm nicht
verdenken. Wer glaubt schon so eine Geschichte: ein Vater, der mit seiner
Tochter sterben will! Ich habe nie wieder mit jemandem darüber gesprochen.
     
    Endlich, nach vier Wochen, kam Mama
wieder nach Hause. Ich war glücklich und erleichtert. Ich fühlte mich befreit.
Wir würden einen Strich unter die Vergangenheit ziehen, und alles würde wie
früher werden. Mama würde wieder die Frau im Haus sein und ich das Kind. Bald
würde die ganze Geschichte vergessen sein, zu den Akten gelegt als eine Art
Mißverständnis. Es ist ja noch nichts Schlimmes passiert, sagte ich mir. Ein
paar Liebkosungen und unanständige Küsse, mehr nicht. Davon geht keine Familie
kaputt. Papa wird bald wieder der alte sein.
    Als meine Mutter kam, nahm Großmutter
Mireille sie beiseite. »Hör mal, dein Mann tut Dinge mit deiner Tochter, die
ich sehr merkwürdig finde.« Mehr sagte sie nicht, weil das ein heikles Thema
war. Und etwas wirklich Bedenkliches hatte sie ja nicht gesehen. Mama machte
sich weiter keine Gedanken. Sie wußte, daß Papa und ich uns sehr nahestanden,
er hatte mich auch früher schon in den Po gekniffen, und daß er mich regelrecht
abgeknutscht hatte, hatte Großmutter ihr verschwiegen. Auf die Idee wäre Mama
nie von allein gekommen. Deshalb dachte sie sich auch nichts dabei. Sie hielt
diese Gesten für normal zwischen Vater und Tochter. Andere Väter alberten
sicher auch mit ihren Töchtern herum, ohne daß gleich ein Drama daraus gemacht
wurde.
    Ein anderer schwerwiegender Umstand,
der sich ungünstig für mich auswirkte, war, daß meine Mutter nach ihrem
Krankenhausaufenthalt noch immer mit Beruhigungstabletten und Antidepressiva
behandelt wurde. Abends nahm sie Schlaftabletten, ging zeitig zu Bett und
schlief wie eine Tote. Physisch war sie anwesend, aber das war auch alles. Sie
litt unter einer entsetzlichen Müdigkeit und war gar nicht in der Lage, die
Dinge wieder selbst in die Hand zu nehmen. Für mich war das eine furchtbare
Enttäuschung. Ich hatte so sehr gehofft, hatte sogar fest damit gerechnet, daß
nach ihrer Entlassung alles wieder in Ordnung käme.
    In Wirklichkeit hatte sich zu Hause
kaum etwas geändert. Ich war nach wie vor die »Mama« und versorgte weiterhin
meine Geschwister und die zweijährige Leila. Die Kleine war wirklich süß. Sie
sagte »Mama« zu mir. Zusätzlich mußte ich mich jetzt aber auch noch um meine
Mutter kümmern, die praktisch nicht ansprechbar war, weil sie sich aufgrund der
Medikamente in einer Art Dämmerzustand befand. Jetzt lastete also noch mehr
Verantwortung auf mir. Ich

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